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Das Vienna Career Panel Project analysierte die Taktik des Vorankommens von Frauen und Männern

Foto: APA/Daniel Karmann

Die Ratgeberliteratur behauptet, dass Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken können. Begründet wird dies als Ergebnis unterschiedlich strukturierter männlicher und weiblicher Gehirne, deren evolutionsbiologisches Erbe im Verhalten sichtbar wird. Und wenn man Karrieren von Männern und Frauen erforscht, findet man schnell ein Äquivalent: Wenn sich Frauen mehr anstrengen, auf Kinder verzichteten und sich "typisch männlich" verhalten würden, wären die Karrierechancen gleiche. Dabei übersieht man leicht, dass man Verhalten schwer von der sozialen Situation trennen kann, in der es auftritt.

Verschwinden eines Vorurteils

Nehmen wir die Aussage "Männer haben ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen". Erinnert man Probanden zu Beginn eines Experiments an ihr Geschlecht, zeigen empirische Befunde eine Bestätigung des Vorurteils: Männer können Gegenstände in ihrer Vorstellung besser rotieren als Frauen. Rückt man aber das Bewusstsein über das Geschlecht in den Hintergrund, indem man andere Selbstkategorisierungen ermöglicht (z. B. "intellektuell zu sein") oder das Stereotyp selbst abschwächt (indem man sagt, Frauen würden bei diesem Test im Durchschnitt besser abschneiden), verschwindet der Geschlechterunterschied auf scheinbar mysteriöse Weise.

Anders gesagt haben die Konsequenzen, die mit dem Geschlecht einhergehen, weniger mit der "Faktorenausstattung" zu tun als mit dem sozialen Kontext, in dem ein Verhalten gezeigt werden soll. Anscheinend führen Stereotype ein Eigenleben, das sowohl Diskriminierungen Vorschub leistet, als auch die von dem Stereotyp benachteiligten Gruppen dazu bringt, es selbst zu bestätigen.

Das steht auch nicht im Widerspruch zu Michael Meyers Ausführungen in der letzten Woche: Hinsichtlich struktureller Diskriminierung ist Österreich einzigartig. Von den EU-27 weist nur Estland eine noch unvorteilhaftere geschlechtsspezifische Gehaltsschere auf. Doch der Schluss, dass "Geschlecht" auch die Ursache wäre, greift zu kurz.

Auf die Taktik kommt es an

Das wurde deutlich, als wir die Strategien, die Männer und Frauen in ihrer Managementkarriere verwirklichen, analysiert haben. Dabei geht es um die Taktik des Vorankommens: Stelle ich eher meine Leistungen und Fähigkeiten in den Vordergrund und demonstriere Macht und Autorität ("Ego-Taktik"); oder zeige ich Verhalten, das sich auf das soziale Umfeld konzentriert ("Alter-Taktik": z. B. sich Freunde und Verbündete schaffen).

Interessant ist, dass für beide Geschlechter zu unterschiedlichen Zeitpunkten die gleiche Strategie erfolgversprechend war: Während für ältere Kohorten eine "Ego-Taktik" besser fürs Einkommen war, gilt für jüngere Kohorten eine "Alter-Taktik" als beste Option. Dahinter steht eine Veränderung des Kontexts: In einer sich ständig ändernden Umwelt ist Vernetzung wichtiger als Selbstdarstellung. Und dementsprechend gibt es auch keine für ein Geschlecht "bessere" Verhaltensstrategie, sondern nur eine auf den Kontext abgestimmtere. Stellen Sie die Bücher über "Mars" und "Venus" also ruhig ins Regal. Menschen und Karrieren sind viel kontextueller, als man denkt. (Thomas Schneidhofer, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.7.2011)