Der Chef der Raiffeisen Zentralbank und Präsident der Ostbankengruppe Raiffeisen Bank International, Walter Rothensteiner, mahnt mehr Sachlichkeit für Griechenland ein. Mit der Bankensteuer in Österreich will er sich nicht abfinden.

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RZB-Chef Walter Rothensteiner spricht sich im Gespräch mit Renate Graber für eine europäische Ratingagentur aus – und für die Abschaffung der Bankensteuer.

STANDARD: Wie erleben Sie denn die Griechenland-Debatte?

Rothensteiner: Ich kann sie nicht mehr hören, um ehrlich zu sein.

STANDARD: Fahren Sie heuer wieder nach Kreta auf Urlaub?

Rothensteiner: Sicher, wie seit zehn Jahren. Schauen Sie: Seit 1999 waren 13 Staaten im Default (pleite), und die Welt ist nicht untergegangen. Man muss das alles mit weniger Emotion sehen: Es geht um zwei Prozent der EU, und der Euro ist nicht in Gefahr, und die EU-Wirtschaft wächst.

STANDARD: Eine Pleite Griechenlands würde doch auch Europas Banken sehr belasten.

Rothensteiner: Ja, die, die dort engagiert sind. Die Raiffeisen Bank International RBI hat 111 Mio. Euro an griechische Unternehmen vergeben, 22 Mio. an Banken, Null an den Staat. Aber natürlich verstehe ich die Sorgen – wiewohl ich den Streit nicht verstehe, ob man von einer Pleite überhaupt reden darf. Wir wissen alle nichts Genaues, außer: Wenn die Ratingagenturen morgen auf D abstufen, ist es vorbei. Aber wenigstens dieses Problem geht man nun an.

STANDARD: Sie meinen die Macht der US-Ratingagenturen. Sind Sie für Gründung einer europäischen?

Rothensteiner: Ja, seit zehn Jahren; man hätte das längst angehen können. Die Kommission müsste nur ein Budget verabschieden, die Ziele festlegen und fertig. Aber wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass eine europäische Ratingagentur unter politischem Druck total anders entscheiden würde. Aber heute schaut es ja so aus, als würde die europäische Wirtschaft von den amerikanischen Ratingagenturen gesteuert.

STANDARD: Wie viel zusätzliches Kapital werden Sie denn für die neuen Eigenkapitalvorgaben von Basel III aufbringen müssen?

Rothensteiner: Man muss abwarten, was von den Baseler Beschlüssen im Europaparlament bleibt. Das Problem ist, dass die Banken mehr Kapital aufstellen, mehr Gewinne thesaurieren sollen, gleichzeitig aber am Verdienen gehindert werden. Ich sage nur Bankensteuer und neue Einlagensicherung. Die exakten Beträge wissen wir noch nicht – sicher ist aber, dass Banken Kapitalerhöhungen machen werden. Mit Kursen wie früher können wir dabei aber nicht mehr rechnen, weil ja die Verdienstchancen der Anleger immer geringer werden.

STANDARD: Man rechnet mit einer baldigen RBI-Kapitalerhöhung. Sagen Sie schon Näheres ?

Rothensteiner: Nein, Sie kennen die Börsengesetze. Mehr Eigenkapital ist ja auch gut, aber ein paar Veränderungen wird es schon noch geben. Wenn man bei den Unterlegungen für Kredite an Klein- und Mittelbetriebe etwas nachgäbe, wäre das gut für die Wirtschaft. Es können auch nicht alle Banken über einen Kamm geschoren werden. Wir rechnen jedenfalls mit Regelungen für Zentralinstitute.

STANDARD: Kämen die nicht, träfe das den Raiffeisensektor.

Rothensteiner: Laut Bankwesengesetz muss die Beteiligung am Zentralinstitut nicht vom Kapital abgezogen werden. Wird das geändert, wären wir massiv benachteiligt: Unser Sektor ist dreistufig, der deutsche Genossenschaftssektor zweistufig. Das ist aber in Brüssel schon angekommen.

STANDARD: Raiffeisen wird heuer 91 Mio. an Bankensteuer zahlen. Die Banken haben sich vergeblich gegen diese Abgabe gewehrt, haben Sie als Spartensprecher sich nun damit abgefunden?

Rothensteiner: Nein. Das Schlechte ist, dass es eine Substanzsteuer ist, die auch bezahlt werden muss, wenn wir gar keine Gewinne schreiben. Man wird irgendwann keine Anleger mehr finden, die in Banken investieren wollen. Denn die Voest oder Versicherer haben so eine Steuer nicht. Wir müssen sie wegbekommen – und hoffen auf 2013, da soll die Steuer gemäß Gesetz evaluiert werden. Wir träumen noch davon, dass dann die Vernunft einkehrt. Und wirklich aufpassen muss man, sollte es zu einer europaweiten Steuer kommen: Denn doppelt zahlen geht sicher gar nicht.

STANDARD: Die Volksbanken AG verkauft Raiffeisen ihr Sechs-Prozent-Paket an der RZB. Raiffeisen zahlt angeblich 485 Mio. Euro, wer im Sektor wird das zahlen?

Rothensteiner: Daran tüfteln wir gerade.

STANDARD: Glauben Sie wie Hannes Androsch, dass die Hypo Alpe Adria den Staat noch viele Milliarden kosten wird?

Rothensteiner: Aus dieser Diskussion halte ich mich heraus. Die Frage ist, ob man durch die Teilverkäufe ungefähr so viel lukrieren kann, wie man bezahlt hat.

STANDARD: Wer braucht die Hypo?

Rothensteiner: Bei dieser Frage fielen mir viele Namen ein, aber wir leben in einer freien Wirtschaft. Man darf nicht vergessen: Der Staat hat sich die Hypo nicht gewünscht, sondern verhindert, dass 18 Mrd. Euro Haftungen schlagend werden. Ich bin jedenfalls dafür, dass man bis zum letzten Tag kämpft, noch etwas aus der Hypo zu machen.

STANDARD: Werden Sie Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad nachfolgen?

Rothensteiner: Ich habe gerade einen Fünf-Jahresvertrag in der RZB unterschrieben. Mehr sage ich ab heute nicht mehr zu dem Thema.

STANDARD: Wäre Leipnik-Lundenburger-Chef Josef Pröll ein guter Konrad-Nachfolger?

Rothensteiner: Christian Konrad ist 68, Josef Pröll 42 Jahre alt. Da ist noch ein bisschen Spielraum, jederzeit etwas zu werden. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.7.2011)