Was ist schlimmer als die Schwiegermutter? Mehr oder weniger niveauvolle Witze mit diesem Anfangssatz galten im politisch korrekten Großbritannien in den letzten Jahren als tabu. Dieser Tage darf wieder geschmunzelt werden über das vielfach beschriebene schwierige Verhältnis zwischen den Generationen.

Die Sekretärin Heidi Withers würde die Frage wohl so beantworten: "Die Stiefschwiegermutter." Die Sekretärin (29) lebt im gepflegten Westlondoner Stadtteil Fulham mit ihrem Freund Freddie Bourne zusammen. Das junge Paar will diesen Sommer heiraten, weshalb sie zuletzt mehrfach Freddies Vater und dessen zweite Frau Carolyn in deren Landhaus in der Grafschaft Devon besuchten. Withers Verhalten auf dem Land erregte die Schwiegermutter in spe so sehr, dass sie ihrer zukünftigen Schwiegertochter eine eisige E-Mail schickte.

"Es wird höchste Zeit, dass Dir jemand gute Manieren beibringt", begann die Mail der 60-Jährigen, schließlich habe sich Freddie "unglücklicherweise" in Heidi verliebt. Dabei fehle dieser jede Kinderstube: Die Braut aus London schlief morgens lang, begann Mahlzeiten vor allen anderen und beschwerte sich im Dorf-Pub über ihre künftigen Schwiegereltern.

"Niemand heiratet auf einem Schloss, es sei denn, man ist der Besitzer. Das sind die wichtigtuerischen Vorstellungen einer Celebrity", wird in dem Schreiben Withers Hochzeitspläne getadelt. Berühmtheiten sind Schwiegermama und Braut nun tatsächlich: Withers leitete den Brandbrief umgehend an Freunde weiter, wenig später war er auf Facebook nachzulesen. Seither haben die Benimm-Tanten und -Onkels auf der Insel Hochkonjunktur.

Heftig diskutiert werden Fragen wie: Ist es wirklich noch zeitgemäß, per Post handschriftliche Dankschreiben zu verschicken, wie es Bourne gefordert hat? Beging nicht umgekehrt Bourne einen schweren Fauxpas, als sie ihre Benimm-Regeln per E-Mail statt handschriftlich per Post schickte?

Die Daily Mail, das Zentralorgan aller Londoner Sekretärinnen, stöberte im Vorleben der werdenden Schwiegermutter und stieß dabei - shocking! - auf ein uneheliches Kind. Guardian-Kolumnist Alexander Chancellor verteidigte mit einem Anflug von City-Hochnäsigkeit das Recht "der arbeitenden Stadtbevölkerung, bei Landbesuchen mal auszuschlafen".

Und die ehrwürdige Times widmete der Angelegenheit sogar einen fröhlichen Leitartikel: Die beiden "unhöflichen und unsensiblen Damen" hätten einander verdient. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 2./3. Juli 2011)