Warschau - Der frühere polnische Staatschef, General Wojciech Jaruzelski, ist offenbar zu krank, um an einem Prozess wegen der von ihm angeordneten Niederschlagung der Gewerkschaftsproteste im Jahr 1981 teilzunehmen. Der 87-Jährige, der seit März wegen Lymphdrüsenkrebs behandelt wird, sei nach Angaben der Ärzte nicht in der Lage, innerhalb der kommenden zwölf Monate an dem Verfahren teilzunehmen, meldete die Nachrichtenagentur PAP am Freitag unter Berufung auf einen Gerichtssprecher.

In dem Prozess muss sich Jaruzelski wegen der Niederschlagung der Proteste von Solidarnosc verantworten. Diese hatte sich nach ihrer Gründung durch Lech Walesa im Jahr 1980 als erste unabhängige Gewerkschaft des Ostblocks an die Spitze der Opposition gestellt. Jaruzelski rief jedoch nach seiner Machtübernahme 1981 das Kriegsrecht aus und ging gewaltsam gegen die Opposition vor. Solidarnosc wurde verboten und musste in den Untergrund gehen.

Gewalt gegen Demonstranten

Sieben Jahre später nahm Jaruzelski Gespräche mit Solidarnosc auf, die 1989 zur Abhaltung von freien Wahlen führten. Der General übergab 1990 die Macht an seinen früheren Gegenspieler Walesa, der zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Polens seit dem Zweiten Weltkrieg wurde.

In einem zweiten Prozess soll sich Jaruzelski wegen des gewaltsamen Vorgehens verantworten, das er 1970 als Verteidigungsminister gegen Demonstranten anordnete, die in den Werften der Ostseehäfen von Danzig und Gdingen (Gdynia) gegen steigende Preise protestierten. Nach dem Tod des zuständigen Richters ordnete die polnische Justiz Ende Mai an, den Prozess ganz neu aufzurollen. (APA)