Der Magenkeim Helicobacter pylori

Foto: Yutaka Tsutsumi

Zürich/Wien - In den Industriestaaten kam es in den vergangenen Jahren zu einer nahezu explosionsartigen Ausbreitung von Allergien - und zu einer Zunahme von Asthma. Ein Gutteil der chronisch-entzündlichen Atemwegserkrankung, unter der in Österreich rund sechs Prozent der Bevölkerung leiden, ist durch Allergien bedingt. Als Hauptgrund für diesen Anstieg sehen manche Allergologen übertriebene Hygienemaßnahmen. Diese würden dazu führen, dass das Immunsystem in der Kindheit unterfordert wird und sich deshalb nicht normal entwickelt.

Forscher um die Immunologin Anne Müller von der Uni Zürich haben nun einen Nachweis für die Annahme gefunden. In einer Untersuchung im "Journal of Clinical Investigation" konnten sie zeigen, dass die Asthmazunahme wohl auf das gezielte Ausmerzen des Magenkeims Helicobacter pylori (H. pylori) zurückgeht.

Weltweit dürfte die Hälfte aller Menschen mit H. pylori infiziert sein. Häufig verläuft der Befall ohne Symptome. Unter bestimmten Voraussetzungen aber löst der Keim Magendarmgeschwüre oder sogar Magenkrebs aus. Das wurde von Barry Marshall und John Robin Warren im Selbstversuch entdeckt. Von der medizinischen Forschung wurden sie bis 1989 nicht ernstgenommen. Im Dezember 2005 erhielten die beiden dann aber doch je zur Hälfte den Medizinnobelpreis.

Oft wird der Magenkeim deshalb mit Antibiotika ausgerottet - selbst wenn der Patient keine Beschwerden hat. Und das dürfte keine allzu gute Idee sein, wie Müller und ihre Kollegen zeigen.

Sie infizierten für ihre Studie Mäuse mit den Bakterien und setzten sie später starken, allergieauslösenden Stoffen aus. Die Folge: Allergene verursachten bei Mäusen, die schon im Alter von wenigen Tagen mit H. pylori infiziert worden waren, keine oder nur geringfügige asthmatische Anfälle. Jene Mäuse hingegen, die erst als Erwachsene mit dem Darmbakterium infiziert wurden, genossen einen weitaus schwächeren Schutz.

Die frühe Infektion führe zu einer Anreicherung von sogenannten regulatorischen T-Zellen, die für die Unterdrückung von Asthma entscheidend seien, so die Forscher, die auch den Nachweis dafür erbrachten: Sie übertrugen solche T-Zellen auf nichtinfizierte Mäuse, die nun auch gegen Asthma geschützt waren. Im Gegenzug töteten die Forscher bei einigen resistenten Mäusen die Darmbakterien mit Antibiotika ab: Dadurch ging deren Resistenz gegen die Asthma-Allergene verloren.

Was mit der Studie zu beweisen war: Die Zunahme von allergischem Asthma in Industrienationen hängt mit dem weitverbreiteten Einsatz von Antibiotika und dem daraus folgenden Verlust an Mikroorganismen im Körper zusammen. (tasch, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 7. 2011)