Heiße Ware für die deutschen Kartellbehörden hat die Voestalpine ausgeliefert. Sie diente sich im Schienenkartell als Kronzeugin an und darf nun auf Strafbefreiung hoffen.

Foto: Voestalpine

Linz/Düsseldorf/Berlin - Verpfiffen wurden die der unerlaubten Preisabsprachen verdächtigen Stahlkonzerne von der Voestalpine. Der Linzer Stahl- und Verarbeitungskonzern hat am Freitag zugegeben, die Hausdurchsuchungen bei mehreren Stahlfirmen im Mai ausgelöst zu haben. Involviert ist die Voest über ihre Sparte Bahnsysteme im steirischen Donawitz, konkret über ihre Töchter TSTG Schienen Technik GmbH & Co KG in Duisburg und Klöckner Bahntechnik. Mit dem von ihr gestellten Kronzeugenantrag hat der 2003 vollprivatisierte Konzern umfangreiche Razzien ausgelöst - dafür darf der Konzern mit einer Bußgeldbefreiung rechnen.

Das "Schienenfreunde" genannte Kartell soll die Deutsche Bahn (DB) mit zu teuren Gleisen beliefert und allein im Jahr 2006 bis zu 100 Millionen Euro Schaden verursacht haben. Zahlen wie diese kann man bei der Voest nicht nachvollziehen. Den vermuteten Gesamtschaden bezifferte DB, die jährlich bis zu 300.000 Tonnen Stahl zu Kartellpreisen gekauft habe, nicht. "Sobald wir aus dem Ermittlungsverfahren ein klares Bild haben, werden wir mögliche Ansprüche gegen die Kartellbeteiligten prüfen", kündigte Gerd Becht, Vorstandsdirektor Recht des Unternehmens an.

Treffen in der Pizzeria

Getroffen haben sich die Stahlmanager in der Duisburger Pizzeria Da Bruno - jenem Lokal, das im August 2007 auffällig wurde, als vor dem Lokal sechs Mitglieder der kalabresischen Mafia "Ndrangheta" erschossen wurden. Bei ihren Treffen verwendeten die Stahlmanager Tarnnamen wie "Hannibal Lecter", "das Brüderchen" und "die Domina", berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung unter Berufung auf entsprechende Unterlagen.

Die Untersuchungen der Bochumer Staatsanwaltschaft richteten sich gegen etwa zehn Firmen und rund 30 Personen, bestätigte die Behörde. Die Ermittlungen seien in einem frühen Stadium, Angaben zur Schadenshöhe könnten nicht gemacht werden.

Mitte Mai hatte das Bundeskartellamt wegen des Verdachts von Absprachen bei Preisen und Aufträgen Büroräume mehrerer Unternehmen aus der Bahntechnik-Branche in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen, Berlin und Baden-Württemberg durchsucht. Die Firmen, die Schienen an Regional- und Industriebahnen, Nahverkehrskunden oder Bauunternehmen verkaufen, standen im Verdacht, Einzelaufträge seit mindestens 2001 regional abgesprochen zu haben. 2008 sei das Kartell auseinandergeflogen, als der Stahlkonzern ArcelorMittal die polnische Huta Katowice kaufte und die Preise des Kartells um rund 35 Prozent unterbot, schreibt die WAZ. Der Konzern habe dann den größten Liefervertrag mit der Deutschen Bahn bekommen.

ThyssenKrupp-Tochter tauschte Führung aus

Vorstellig wurden die Untersuchungsbeamten auch bei der ThyssenKrupp-Tochter GfT Gleistechnik GmbH. Ein Sprecher von ThyssenKrupp bestätigte, dass bei der Tochter fast die komplette Führungsriege ausgetauscht worden sei, nachdem sich der Vorwurf wettbewerbswidriger Absprachen erhärtet habe. "Solche Absprachen werden bei uns nicht toleriert." Die Mitarbeiter seien entlassen und die Kunden informiert worden. Bei der Tochter handelt es sich um ein vergleichsweise kleines Unternehmen des Mischkonzerns, der weltweit 180.000 Mitarbeiter hat. GfT Gleistechnik beschäftigt 280 Mitarbeiter und erzielte zuletzt 300 Mio. Euro Umsatz.

Bestätigt sich der Verdacht illegaler Absprachen, kann das Kartellamt empfindliche Geldstrafen gegen die beteiligten Unternehmen verhängen. Sie können bis zu zehn Prozent des Konzernjahresumsatzes ausmachen.

Voestalpine hatte die Razzien bereits Anfang Mai bekanntgemacht und volle Aufklärung zugesichert. "Voestalpine nimmt die Vorwürfe ernst und wird offen und uneingeschränkt mit den Kartellbehörden zusammenarbeiten", teilten die Linzer Stahlkocher mit. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.7.2011)