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Am Vorabend des Ramadan-Beginns ließen Kinder im Gazastreifen tausende Papierdrachen als Friedensbotschaft steigen.

Foto: Reuters/Salem

Damaskus/Kairo/Wien - Die Nervosität ist besonders in Damaskus zu spüren: Kurz nacheinander setzte diese Woche das Regime Schritte - ein neues Parteiengesetz, ein Wahlgesetz - um die Opposition zu besänftigen, beziehungsweise einen Keil zwischen die Unversöhnlichen und jene, die "nur" Reformen wollen, zu treiben. Denn der Fastenmonat Ramadan, der am Montag beginnt, verspricht eine Intensivierung der Proteste. Das haben Oppositionskreise bereits angekündigt, auch im Jemen.

Für eine Regierung ist es fast unmöglich, das religiöse Leben einzuschränken, das im Ramadan besonders in den Nächten die Gläubigen in Massen zum Beten in die Moscheen bringt - die sich dann religiös beseelt auf die Straßen begeben könnten.

Die "Islamisierung" der Demonstrationen birgt in Syrien die Gefahr, dass das konfessionelle Element - sunnitische Muslime gegen die regierende Sekte der Alawiten, die nicht von allen Muslimen als islamisch akzeptiert wird - stärker durchschlägt. Wer im Ramadan im Glaubenskampf zu Tode kommt, den erwartet im Jenseits großer Lohn. Aber die säkularen, liberalen und linken Gruppen innerhalb und außerhalb Syriens können damit natürlich nichts anfangen und sind teilweise ebenfalls besorgt. Die Botschaft von Al-Kaida-Führer Ayman al-Zawahiri, der versuchte, die syrische Protestbewegung zu vereinnahmen, tat da ein Übriges.

Auch in Libyen werden viele Rebellen religiösen Aufwind verspüren. Im Ramadan ist bekanntlich Konsum jeglicher Art - Essen, Trinken, Sex, Rauchen - bei Tageslicht verboten. Der diesjährige Ramadan ist besonders hart: Der Sommer ist heiß, die Tage sind lang. Wie für Kinder, Alte, Kranke und Reisende gilt auch für Kämpfer und Soldaten, dass sie einen Dispens vom Fasten in Anspruch nehmen können. Nur wenige werden das wohl tun, die Gruppendynamik würde auch gar nichts anderes zulassen, als zu fasten und zu kämpfen.

Spirituelle Stärke 

Die körperliche Schwäche wird durch spirituelle Stärke ausgeglichen werden - oder auch durch eine von der Erschöpfung herrührenden Gleichgültigkeit dem eigenen Leben gegenüber.

In Ägypten haben die Islamisten den Protesten des letzten Freitags vor dem Ramadan das Motto "Islamische Identität" gewidmet. Auch hier wird auf einen Schlag ein wichtiger Teil der revolutionären Bewegung ausgeschlossen. Die Muslimbruderschaft legte am Freitag auf dem Tahrir-Platz Wert auf ihre Sichtbarkeit - viele Jungen trugen T-Shirts mit Emblemen - und demonstrierte ihre Macht: ein Signal nach oben, aber auch an die säkularen Korevolutionäre.

Was Millionen Muslimen und Musliminnen weltweit neue Glaubenskraft und auch einfach Freude durch das in den Nächten blühende soziale Leben bringt, wird in einigen arabischen Leben kein Ramadan wie jeder andere werden. Besorgt sind übrigens auch die Volkswirtschaftler der durch die Umbrüche bereits geplagten Ökonomien: Zwar ist der Lebensmittelverbrauch durch das Schwelgen in den Ramadan-Nächten groß, aber alle anderen Wirtschaftsbereiche leiden, besonders wenn der Fastenmonat in den Sommer fällt. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2011)