Die BersucherInnen des Yppenparks wollten und konnten zum Thema IGGiÖ nicht viel sagen.

Foto: Mascha Dabic

Osman S. und seiner Frau sind gesprächsfreudig, wissen aber nicht viel über die IGGiÖ zu berichten.

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Von Sanaç und der IGGiÖ hat er zwar gelesen, aber Verbände und Vereine spielen in Osman S. Leben keine große Rolle.

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Fuat Sanaç ist seit Juni neuer Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und hat vor kurzem mit einem derStandard.at-Interview für medialen Wirbel gesorgt. Vor allem seine Aussagen zu schwimmenden Musliminnen im Ganzkörperanzug und der Unreformierbarkeit islamischer Gebote haben die Gemüter erhitzt. Aber auch die fehlende Differenzierung und Verurteilung von anti-semitischen Äußerungen des ehemaligen und mittlerweile verstorbenen Milli Görüṣ-Führers Necmettin Erbakan wurden zu Recht kritisiert.

Es galt nun herausfinden, was türkische Einwanderer von Sanaç und seinen Aussagen halten, schließlich ist der neue IGGiÖ-Präsident einer ihrer Landsmänner, und Erbakan war nicht nur früherer türkischer Ministerpräsident sondern auch Gründer der Milli Görüṣ-Bewegung und der "Saadet Partisi" (Partei der Glückseligkeit), beide wegen ihrer missionarisch-islamistischen Ausrichtung umstritten.

IGGiÖ - eine Unbekannte?

Die Suche führte zuerst nach Wien-Ottakring zum Brunnenmarkt und gestaltete sich schwieriger als gedacht. Keine der gefragten Personen will jemals von Fuat Sanaç gehört haben, noch davon, dass es eine Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich gibt. ATIB, "die Türkisch Islamische Union für Kulturelle und Soziale Zusammenarbeit in Österreich", ist da schon eher bekannt. Mit den rund 60 lokalen Mitgliedsvereinen samt Moscheen sowie den eigenen größeren Islamzentren und den nach eigenen Angaben 75.000 Mitgliedern stellt ATIB, das dem türkischen Diyanet, dem Präsidium für religiöse Angelegenheiten, unterstellt ist, den größten muslimischen Verband in Österreich dar.

"Da gehen die meisten hin", weiß ein Mitarbeiter eines türkischen Supermarktes in der Nähe des Brunnenmarkts zu berichten. Seine Kollegin, die an der Kassa sitzt, kennt weder die IGGiÖ noch ihren neuen Präsidenten. Über Religion und religiöse Vereine will sie nicht allzu viel erzählen, auch wenn sie ein Kopftuch trägt, der Chef könne da vielleicht mehr Auskunft geben, lässt sie uns wissen.

Fußball statt Religion

Die nächste Station ist der Park beim Yppenplatz. Hier spielen Jugendliche Fußball und Kinder in der Sandspielkiste, während ihre Mütter auf der Bank tratschen und alte Frauen einsam dem Treiben zusehen.

Die jungen Männer im Alter von fünfzehn bis siebzehn Jahren zeigen sich nicht besonders gesprächsfreudig. Mehr als Religion oder Journalistinnen, die danach fragen, interessiert sie das Fußball-Spielen. Noch weniger Interesse ruft der Name Sanaç hervor, den kennen sie nicht. "Kennt der mich denn?", fragt einer spitzbübisch. "Es kommen immer wieder irgendwelche religiösen Vertreter, manchmal Araber mit Bart, die schütteln einem die Hände und das war's, aber keiner redet mit uns und fragt, wie es uns geht", so der junge Mann weiter.

Von der IGGiÖ haben die jungen Männer auch nichts gehört. "Der Islam braucht keinen Anführer", meint einer in der Gruppe. Mehr wollen sie dazu nicht sagen, und anonym wollen sie auch bleiben. Keine Fotos, keine Namen.

Sultan Ahmet in Wien

Eine Frau mit Kopftuch kommt uns entgegen. Auch ihr sind die Islamische Glaubensgemeinschaft und ihr neuer Präsident unbekannt. Sie gehe meistens in eine ATIB-Moschee im 20. Bezirk. Sie weist uns aber auf eine "Sultan Ahmet"-Moschee ein paar Straßen weiter hin. In der Veronikagasse in Wien-Hernals werden wir schließlich fündig. Auf den ersten Blick sieht man den Eingang eines normalen Wohnhauses und einen kleinen türkischen Laden. Im überdachten Innenhof liegt aber die "Sultan Ahmet"-Moschee.

Hier treffen wir auf drei ältere Männer, die gemütlich çay, schwarzen Tee, trinken und uns gleich auf ein Glas einladen. Wir nehmen die Einladung an und fragen wieder nach Sanaç und der IGGiÖ, erhoffen uns aber mittlerweile nicht viel Resonanz. Doch endlich, hier kennt man Fuat Sanaç. "Das ist ein gescheiter Mann, der hat auch einen Abschluss in Philosophie", sagt der Älteste in der Runde mit längerem Bart und einer getönten Brille. Auch an den IGGiÖ-Wahlen haben die Herren teilgenommen.

Von unveränderlichen Beistrichen im Koran

Das derStandard.at-Interview mit den Aussagen des neuen Präsidenten kennen sie nicht. Die Männer sind aber neugierig und wollen wissen, was er gesagt hat. Die Aufregung verstehen sie dann nicht ganz. "Weibliche Vorbeterinnen für Frauen gibt es ja bereits", meint einer der Männer. Eine Frau als Geistliche für beide Geschlechter können sie sich nicht vorstellen. Die Aussage von Sanaç, dass man religiöse Gebote nicht ändern kann, teilen sie ebenfalls. "Keinen Punkt und keinen Beistrich kann man am Koran ändern", stellen sie in freundlichem, aber bestimmtem Ton klar.

Als wir erzählen, dass Sanaç auch wegen seiner Verbindung zur Milli Görüṣ kritisiert wurde, weil dieser länderübergreifend agierenden Dachorganisation islamistische Bestrebungen vorgeworfen wird, stellt sich heraus, dass die "Sultan Ahmet"-Moschee, die von einer "Islamischen Jugendorganisation in Wien" betrieben wird, der Milli Görüṣ nahe steht. Die Männer betonen aber ausdrücklich, dass die Moscheegemeinde mit einem radikalen Islam oder Terrorismus nichts zu tun hat. "Wir sind offen", heißt es. Ihre Namen wollen sie aber nicht nennen und auch nicht für die Moscheegemeinde sprechen. Sie seien nur einfache Mitglieder, die Verantwortlichen momentan in der Türkei. Herrn Sanaç solle man einmal eine Chance geben, und "nicht an den Worten, sondern an den Taten messen", wird uns auf den Weg mitgegeben.

"Keine Kopftuchpflicht im Koran"

Noch einmal wollen wir es versuchen, Sanaç-Wähler zu finden und begeben uns zum weitläufigen Kongresspark in Wien-Hernals. Hier treffen wir Osman S. und seine Frau, die die warmen Sonnenstrahlen genießen. Das Ehepaar lädt uns zu sich auf die Parkbank ein. Osman ist sehr redefreudig. Der 73-Jährige pensionierte Lastwagenfahrer und seine 75-jährige Ehefrau, die als Hausmeisterin jahrelang mit dem Putzen von Stiegenhäusern beschäftigt war, leben seit 43 Jahren in Österreich. "Wir sind sehr zufrieden mit allem hier, dem Staat, den Menschen", sagt Osman. Von Problemen mit seinen Nachbarn oder Arbeitskollegen kann er nicht berichten. "Wir haben uns immer sehr gut mit unseren Nachbarn verstanden", erzählt seine Frau. Sie hat auch bisher keine Anfeindungen oder böse Blicke wegen ihrer Kopfbedeckung ernten müssen.

Osman interpretiert den Islam nicht orthodox, für ihn bedeutet gläubig sein nicht anderen vorzuschreiben wie sie leben müssten. Dementsprechend hält er auch nichts von Zwang. Er bezeichnet sich zwar nicht als sehr guten Korankenner, aber bei einer Sache ist er sich sicher. "Eine Kopftuchpflicht im Koran gibt es nicht." Auch seine Frau teilt diese Ansicht. "Jede Frau kann selbst entscheiden, ob sie ein Kopftuch tragen will oder nicht. Nur weil man keines trägt ist man nicht schlecht oder weniger gläubig. Man muss im Herzen rein sein." Dass die Aussagen von Sanaç Öl ins Feuer gießen, denkt er nicht. Von Sanaç und der IGGiÖ hat er zwar gelesen, aber Verbände und Vereine spielen in seinem Leben keine große Rolle. (Güler Alkan und Mascha Dabić, 1. August 2011, daStandard.at)