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Der Dollar profitiert kaum von der Einigung. Die Börsen waren nur vorübergehend erleichtert.

Foto: AP/Becker

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Grafik: APA

Frankfurt – Der Kompromiss im US-Schuldenstreit ist an den europäischen und asiatischen Finanzmärkten gut angekommen. Von Euphorie allerdings war am Montag nach der großen Verunsicherung der letzten Wochen nichts zu spüren. Der US-Kongress muss die Einigung noch billigen, die eine Anhebung der Schuldenobergrenze im Tausch für eine graduelle Senkung des Defizits vorsieht. "In der Bewertung dieses Kompromisses werden sich heute wohl alle Beobachter einig sein: Die Gefahr einer unmittelbaren Staatspleite konnte abgewendet werden. Aber die Bedrohung einer Abwertung der amerikanischen Kreditwürdigkeit durch die Ratingagenturen bleibt bestehen", erklärte Rentenstratege Kornelius Purps von der Unicredit.

Krugman: "Bananenrepublik USA"

Scharfe Kritik an der Einigung im US-Schuldenstreit kommt vom Ökonomen Paul Krugman. Die Einigung habe die Katastrophe nicht verhindert, sie sei die Katastrophe, schrieb der Nobelpreisträger in einem Beitrag für die "New York Times". Die vereinbarte Sparpolitik vertiefe die Wirtschaftskrise und vergrößere damit langfristig auch die US-Budgetprobleme. Zugleich sei die Einigung ein Signal, "dass rohe Erpressung funktioniert", was die USA letztlich zu einer "Bananenrepublik" machen werde.

Krugman verwies darauf, dass sich die US-Wirtschaft nach der Finanzkrise noch immer nicht erholt habe. Noch bis zum Jahr 2013 werde diese schleppende Konjunktur anhalten. "Das Schlechteste, was man unter diesen Umständen tun kann, ist es, die Staatsausgaben zu kürzen, weil das die Wirtschaft noch stärker niederdrücken wird", sagte der liberale Wirtschaftswissenschaftler. Zugleich werde durch die Sparpolitik die Schuldenkrise weiter verschärft. "Wenn man die Wirtschaft schwächt, (...) sinken langfristig auch die Einnahmen (des Staates)", gab Krugman zu bedenken. In diesem Zusammenhang verglich er die Anhänger einer Sparpolitik mit mittelalterlichen Medizinern, "die Kranke zur Ader ließen und sie damit nur noch kränker machten".

"Erpressungspolitik" der Republikaner

Dem US-Präsidenten Obama warf Krugman vor, schon mehrmals den Erpressungsversuchen der oppositionellen Republikaner nachgegeben zu haben. Im Dezember habe er die Steuererleichterungen für Reiche verlängert und nun schon zum zweiten Mal im Schuldenstreit. Dabei hätte er die Möglichkeit gehabt, die Schuldenobergrenze auszuhebeln, sagte Krugman mit Blick auf eine entsprechende Verfassungsbestimmung. Er habe von dieser Möglichkeit aber nicht einmal Gebrauch gemacht, um seine Verhandlungsposition zu stärken. Damit habe er die Republikaner ermuntert, ihre Erpressungspolitik fortzuführen. "Es gibt noch mehrere Knackpunkte, wo die Republikaner eine Krise heraufbeschwören können, um den Präsidenten zur Kapitulation zu zwingen."

Langfristig werden aber nicht nur die Demokraten die Verlierer dieser Politik sein, warnte Krugman vor einer Aushebelung des gesamten politischen Systems in der USA. "Wie kann die Demokratie in Amerika funktionieren, wenn gerade jene Partei die Politik diktieren darf, die am skrupellosesten ist und die Sicherheit der Volkswirtschaft gefährdet."

Ökonom Schneider: Zahlungsunfähigkeit nur aufgeschoben

Der Linzer Volkswirtschafts-Professor Friedrich Schneider ist mit der Einigung im US-Schuldenstreit "extrem unzufrieden und verärgert" darüber, dass die Kreditwürdigkeit der USA von den Ratingagenturen nicht sofort herabgestuft wurde. Die Zahlungsunfähigkeit der USA werde lediglich bis nach 2012 aufgeschoben. "Ich finde, es ist ein mageres Ergebnis", sagte Schneider am Montag im Gespräch mit der APA. "Obama hat gesiegt, er hat das Thema aus dem Wahlkampf draußen."

Die Einsparungen im Zehnjahresplan seien sehr vage und unkonkret, die US-Schulden könnten nun munter weiter steigen, kritisierte Schneider. "Meine Kritik geht dahin, dass die Reaktion der Ratingagenturen eine sehr einseitige ist." Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien wären in einem ähnlichen Fall von den Ratingagenturen sofort herabgestuft worden. Irland habe seine Ausgaben tatsächlich reduziert, sei aber sofort herabgestuft worden.

Die Einigung darauf, die Verschuldung weiter anzuheben, sei unvermeidlich gewesen, räumte Schneider ein, "aber es hätte auch ein konkreter Sparplan verabschiedet werden müssen, der einnahmen- und ausgabenseitig greift". Kürzungen seien vor allem bei den Militärausgaben nötig. In Wahrheit könnten sich die USA die Rolle als militärische Weltmacht wirtschaftlich nicht leisten und sollten "kleinere Brötchen backen", meint der Linzer Ökonom. Das Problem sei, dass die Wertschöpfung der US-Wirtschaft immer mehr nach Mexiko oder Asien verlagert werde. Zudem sei die Infrastruktur – Straße, Schiene – stark renovierungsbedürftig.

Kein Aufschwung nirgends

An den Finanzmärkten wurde nur kurz gejubelt. Die internationalen Aktienmärkte drehten nach anfänglicher Erleichterung über die US-Einigung nach enttäuschend ausgefallenen US-Konjunkturdaten in die Verlustzone. Nachdem die Stimmung der Einkaufsmanager deutlich unter den Erwartungen ausgefallen war, rutschten die Indizes klar ab. Massive Verluste musste auch die europäische Gemeinschaftswährung Euro gegen den US-Dollar hinnehmen.

Nach einer starken Eröffnung von mehr als einem Prozent im Plus drehte die Wall Street in den roten Bereich. (Reuters/red)