Trajal Harrell, Choreograf in New York, interessiert sich für die Frage, was passiert wäre, wenn sich unter die Avantgardisten des Judson Dance Theater das Voguing aus Harlem gemischt hätte.

Foto: Paula Court

Sie wenden den Blick nicht ab. Ihre ganze Performance Robert and Maria hindurch schauen Maria Hassabi und Robert Steijn einander an. Auch das Publikum schaut, und zwar auf die beiden, und fragt sich, ob diese sich nun tief in die Augen blicken - oder einer durch den anderen hindurch.

Da ist eine Intimität, der sich der Zuschauer nicht entziehen kann. Beständig starrend sucht dieses ungleiche Paar nach seinen Gemeinsamkeiten. Die Tanzerfahrung ist es jedenfalls nicht: Die aus Zypern stammende New Yorker Choreografin Maria Hassabi tanzt von Kindesbeinen an. Der heute in Österreich lebende Niederländer Robert Steijn dagegen begann erst im zarten Alter von 45 Jahren zu tanzen. Immerhin gründete er dann gleich mit Frans Poelstra die Tanzkompanie United Sorry.

Auch der junge US-Amerikaner Michael O'Connor arbeitet in Österreich. In seiner Solo-Choreografie News von Deborah Hay, die jetzt bei Impulstanz uraufgeführt wird, politisiert O'Connor seine an Politik hoch desinteressierte Drag-Queen-Figur Jai Jai Sincere und bringt die ursprünglich aus dem US-Amerikanischen stammende Idee der Queerness in das sehr österreichische Kasino am Schwarzenbergplatz. Tanz wird bei ihm zu Politik.

In queeren Kontexten bewegt sich auch Trajal Harrells Twenty Looks Or Paris Is Burning At The Judson Church. In einer Art Versuchsanordnung, die er gleich in drei Größen anbietet, untersucht der New Yorker Choreograf, was passiert, wenn man das Voguing mit der postmodernen Tanz-Avantgarde zusammenbringt. Voguing setzt die typische, als "Posing" bekannte Amtshandlung der Models in einen Tanzkontext.

Entwickelt in der homosexuellen Ballroom-Szene im Harlem der 1960er-Jahre, machte die stets umtriebig nach dem heißesten Zeugs suchende Madonna das Voguing Anfang der 1990er massentauglich. Immerhin kam der Tanzstil einer ihrer Hauptinteressen entgegen: dem Spiel mit der Identität. Genau das interessiert auch den New Yorker Choreografen Trajal Harrell. Die Größen (S) und (XS) bestreitet er allein, (M) steht nicht für Medium, sondern für (M)imosa und meint die Zusammenarbeit von Harrell mit Cecilia Bengolea, François Chaignaud und Marlene Freitas.

Was auf die Ohren gibt es bei David Zambrano und Zeena Parkins. In Zeta lassen der aus Venezuela stammende Tänzer und die New Yorker Multi-Instrumentalistin Tanz- und Musikimprovisationen, Bewegung und Klang aufeinanderprallen.

Dabei wird es nicht nur spontan, sondern auch spannend, handelt es sich bei den beiden doch immerhin um die Erfinderin der elektrischen Harfe und den Begründer der bei Tänzern beliebten "Flying Low"-Technik.

Wirklich Großes hat sich der in Deutschland lebende Italo-Amerikaner Tony Rizzi vorgenommen: An attempt to fail at ground breaking theatre with Pina Arcade Smith. Bahnbrechend wird es mit Sicherheit werden, wenn sich die Grande Dame des deutschen Tanzes Pina Bausch, Penny Arcade und Jack Smith zu einem gespenstischen Ehemaligentreffen in den Körpern von Rizzi und der Tänzerin Irene Klein versammeln. Ob er dabei durchfällt, wird sich zeigen. (Andrea Heinz, DER STANDARD/SPEZIAL - Printausgabe, 2. August 2011)