Salzburg - Wenn Bariton Matthias Goerne Mahler-Lieder singt, marschieren Soldaten nicht nur in einer märchenhaften Vergangenheit. Dann wird das "Trallali, trallaley, trallalera" aus Revelge zum Soundtrack für blutige Nachrichten aus aktuellen "Krisenherden". Dann umfasst das "Gute Nacht" des verurteilten Soldaten in Der Tambourg'sell den Wahnsinn aller Kriege von Troja bis heute.

Im Kontrast zu diesen Miniaturen standen Lieder wie Urlicht oder Ich bin der Welt abhanden gekommen als Ausdruck der Hoffnung auf Erlösung. Auch wurden Mahlers Werke kunstvoll mit Liedern Dmitri Schostakowitschs aus der Suite nach Gedichten von Michelangelo Buonarroti op. 145 verwoben.

Insgesamt fiel auf: Goerne scheint immer stärker ein Näseln in den höheren Lagen zu pflegen. Da er dies jedoch als Stilmittel bewusst einzusetzen scheint, ist man bereit, diesen Manierismus zu akzeptieren. Seine Gestaltungskraft macht ihn ohnehin zu einem Solitär innerhalb der Szene. Denn grandios sind der wundersam weiche Ansatz in tiefen Lagen und das schmelzende Timbre, das er in schwerelosen Linien über die Register bis in tenorale Höhe zu führen weiß. Toll auch die Leichtigkeit, mit der Goerne Lautstärke zurücknimmt, ohne Klangfarbe ändern zu müssen.

Starpianist Leif Ove Andsnes hat Goerne begleitet: mit größter Transparenz und mit Klangfarben, deren Spektrum staunen macht. Auf das Wort "Himmel" etwa - in Urlicht und in Ich bin der Welt abhanden gekommen - verwendete Andsnes das Pedal, erfüllte mit einem Pianissimo den ganzen Saal. In der bizarr bewegten Begleitung zu Schostakowitschs Unsterblichkeit ließ er den Steinway klingen wie eine Marimba - während bei den Soldatenliedern Landsknechtstrommeln, quasi schrille Flöten und schmetternde Trompeten zu hören waren. Klangzauberei. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD - Printausgabe, 2. August 2011)