Grafik: STANDARD

Brüssel/Wien - Mit einer Programmänderung bei EU-Struktur- und Regionalfonds will die Kommission den krisengebeutelten EU-Staaten helfen, wieder Investitionen zu tätigen und damit aus der Wirtschaftskrise zu kommen. Künftig werden die sogenannten "Kofinanzierungs"-Regeln (siehe Wissen) so stark aufgeweicht, dass auch klamme Staaten wie Griechenland Geld aus den EU-Töpfen in Anspruch nehmen können.

Die Problemländer Griechenland, Irland, Portugal, Rumänien, Lettland und Ungarn müssen künftig nur noch fünf Prozent der Gesamtkosten eines Projekts selbst finanzieren; der große Rest kommt aus Brüssel. Bisher waren in diesen Ländern 15 bis 25 Prozent der Projektkosten die Voraussetzung dafür, dass die EU Gelder beisteuerte.

"Wir wollen damit eine vertrauensbildende Maßnahme setzen", erläutert Johannes Hahn, EU-Kommissar für Regionalpolitik im Gespräch mit dem Standard. "Man verlangt von den Ländern hartes Sparen. Maßnahmen, die die Wirtschaft mittelfristig stärken, werden dabei vergessen."

Mit diesem niedrigen nationalen Eigenmittelanteil sei nun sichergestellt, dass diese sechs Länder weiterhin EU-Mittel erhalten können, sagte Hahn. Schon davor haben die sechs Länder wesentlich niedrigere Eigenmittelanteile aufbringen müssen als beispielsweise Österreich (siehe Grafik). Dennoch konnten diese Länder aus Geldmangel die EU-Mittel für Regional- oder Strukturförderung nicht aus Brüssel abholen. So haben die Griechen in der laufenden Finanzperiode von 2007 bis 2013 nur 4,9 Prozent ihrer EU-Regionalförderungen abgerufen.

Zur Fördervergabe müssen in Brüssel konkrete Projekte vorgelegt werden und der nationale/private Eigenmittelanteil gesichert sein. An diesem Prozedere soll sich nichts ändern. Auch gibt es für die restlichen EU-Länder keine Änderungen.

Kein neues Geld

In den verschiedenen Strukturfonds sind laut Hahn von der Maßnahme insgesamt 2,8 Milliarden Euro betroffen, davon 879 Millionen Euro alleine für Griechenland. Für Portugal sind 629 Millionen Euro reserviert; für Irland 98 Millionen. Das Nicht-Euro-Land Rumänien profitiert mit 714 Millionen Euro, Ungarn mit 308 Millionen Euro, Lettland mit 255 Millionen. Bei allen sechs Staaten handelt es sich um Länder, die entweder unter dem Rettungsschirm stehen oder mit Finanzhilfen der EU gestützt werden müssen.

Hahn betonte, dass es sich bei der Maßnahme nicht um neues EU-Geld handle. Vielmehr werden dabei bereits zugeteilte, aber nicht abgeholte EU-Fördermittel verwendet. "Das Gesamtbudget für jedes Land bleibt gleich, nur müssen die nationalen Zuzahlungen reduziert werden." Durch den geringeren Eigenanteil der Krisenländer kann sich die Zahl der geförderten Projekte verringern. Am Beispiel von Griechenland hofft Hahn, dass der Privatsektor anspringt und mehr Projekte zur Förderung einreicht. "Kleine, private griechische Firmen haben in der Vergangenheit die EU-Mittel nur sehr zögerlich in Anspruch genommen."

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bezeichnete den Vorschlag in einer Aussendung als außergewöhnlich. "Wir reagieren damit auf eine Ausnahmesituation. Dies ist unser Beitrag zu einer Art Marshall-Plan für die Belebung der Wirtschaft." Dem Vorschlag muss noch vom Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten zugestimmt werden; bis Anfang 2012 könnten die Gelder bereits fließen.(Johanna Ruzicka, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.8.2011)