Daniela Kraus ist Geschäftsführerin des Vereins "Wiener Medienfortbildung". Neben dem Masterlehrgang "International Media Innovation Management", der im Herbst startet, wird sich die Einrichtung um Weiterbildungsmaßnahmen für Journalisten kümmern.

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Der Verein hat sein Büro in Neu Marx im Media Quarter 2.

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Das Areal des ehemaligen Schlachthofes in St. Marx soll zu Wiens Medienstandort schlechthin avancieren. Hier ist der Eingang zur alten Rinderhalle, die momentan als Raum für größere Veranstaltungen genutzt wird.

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Momentan noch Zukunftsmusik, aber bis zum Jahr 2016 sollen auf dem Areal zumindest 15.000 Menschen arbeiten, so das deklarierte Ziel der Stadt Wien, die die Medienansiedlungen gezielt fördert.

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Ein Teil des Konzepts ist die Umsiedlung des ORF vom Küniglberg nach Neu Marx. Das wünscht sich zumindest die Stadt Wien. Der ORF soll das Ankermedium sein, um das sich kleinere Medienproduktionen gruppieren. Dieses Grundstück ist für den Sender reserviert.

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Die Entscheidung, ob der ORF die Option auf das Grundstück zieht, dürfte spätestens Anfang 2012 fallen.

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Viele kleine Firmen sind schon da, die großen Unternehmen sollen folgen.

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Daniela Kraus koordiniert seit Juli als Geschäftsführerin des Vereins "Wiener Medienfortbildung" den Masterlehrgang "International Media Innovation Management" sowie Weiterbildungsmaßnahmen für JournalistInnen in Wien. Der Verein hat seinen Sitz in Neu Marx, wo Wiens Mediencluster entstehen soll. Im Interview mit derStandard.at erklärt Kraus die Ziele und wie das "Handwerk" Journalismus gelehrt werden kann.

derStandard.at: Wie viele Journalisten haben eine spezifische Ausbildung?

Kraus: Nur 40 Prozent, die in diesem Metier arbeiten. Wir haben das sogar großzügig bemessen, weil wir zum Beispiel das Publizistik-Studium einbezogen haben. Und: Nur 34 Prozent der Journalisten haben einen Hochschulabschluss. In Deutschland ist das genau umgekehrt. Dort sind zwei Drittel Akademiker. Das Weiterbildungsbewusstsein muss in Österreich erst sickern.

derStandard.at: Welche Fortbildungsmaßnahmen hat der Verein "Wiener Medienfortbildung" in Planung?

Kraus: Wir werden kaum Basisworkshops, etwa zu Recherche oder Interview anbieten, sondern mehr in die Tiefe gehen und etwa spezielle Datenbankrecherche oder Experteninterviews im Programm haben. Zum einen soll es also um sehr spezialisierte, handwerkliche Fragestellungen gehen. Zweitens spielen innovative Themen und Internationalisierung eine große Rolle. Weitere Aspekte sind Management- und Social Skills wie Teamarbeit lernen, konstruktives Feedback geben, sich als freie Journalisten vermarkten, Moderation etc. Dinge, die bis jetzt nicht unbedingt als Kernkompetenz gesehen wurden.

derStandard.at: Das Programm soll sich auch der Nachwuchsförderung widmen?

Kraus: Nicht im Sinne einer Ausbildung. Aber ja, eine weitere Zielgruppe sind Blogger und junge, freie Journalisten, die sich an der Schnittstelle zum semi- oder schon professionellen Journalismus befinden und die bei uns noch an Bedeutung gewinnen werden. Hier kann man auch ein Basisprogramm anbieten. Ein Beispiel wäre etwa "Medienrecht für Blogger". Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt soll im Bereich des Diskurses liegen. Hier planen wir eigene Veranstaltungen für ein breites Publikum, aber auch Formate zum Austausch, etwa um mit erfahrenen Kollegen aus dem Ausland über aktuelle Thema zu diskutieren. Über Journalismus und Medien zu diskutieren, ist einfach von gesellschaftspolitischer Relevanz.

derStandard.at: Wo sehen Sie bei österreichischen Journalisten den größten Bedarf in Sachen Weiterbildung?

Kraus: Das betrifft zum Beispiel alle Innovationsthemen. Social Media wird sich weiterentwickeln. Eine wichtige Frage wird sein: Wie gestalte ich Interaktion mit meinem Publikum? Da geht es dann auch um Medien als Marken und wie sehr sich die Rezipienten mit dem Angebot identifizieren. Das kann von der mikroskopischen Ebene wie "Wer bekommt meinen Tweet, wenn ich ihn abschicke?" bis zur strategischen Ebene gehen. Zum Beispiel: Wie gehe ich als Medium auf Kritik und Interaktion ein? In welcher Form lasse ich Usermeinungen zu? Eine weitere Frage, die uns noch länger begleiten wird, ist die nach Business-Modellen. Dafür gibt es zwar sicher kein Rezept, aber man kann Optionen anhand internationaler Beispiele aufzeigen und diskutieren.

derStandard.at: Was raten Sie jungen Leuten, die im Journalismus Fuß fassen wollen?

Kraus: Ich würde ihnen zuerst überhaupt von dem Metier abraten.

derStandard.at: Warum?

Kraus: Weil es nur Sinn hat, wenn es jemand wirklich will. 18-Jährige haben zum Teil vollkommen abstruse Vorstellungen von dem Beruf. Da geht es dann etwa um Glamour, herumreisen und die literarische Ader ausleben. Aber das ist es nicht. Und es ist ja nicht so, dass die Aussichten am Arbeitsmarkt so wahnsinnig rosig sind. Für die Jungen ist es schwierig, irgendwo einen Fuß in die Türe zu bekommen und einmal in einem Angestelltenverhältnis zu landen. Das heißt, ich würde nur jemandem raten, in den Journalismus einzusteigen, der echtes Interesse hat.

derStandard.at: Und wenn man es wirklich will?

Kraus: Ich glaube, man sollte den schwierigen Weg zwischen Spezialisierung und Generalistentum gehen. Konkretes Wissen, das ein Gebiet umfasst, in Kombination mit journalistischem Wissen und redaktionell-strategischem Denken. Also ein medienspezifisches Know-How, das etwa auch in Fachhochschulen gelehrt wird, und die nötige Kenntnis und die nötige Reflexion über ein ressortspezifisches Thema.

derStandard.at: Welche Ausbildung empfehlen Sie? FH und/oder Publizistik-Studium?

Kraus: Am besten wäre natürlich, eine FH und ein Universitätsstudium zu verbinden. Will man wirklich Journalist werden, würde ich nicht Publizistik empfehlen. Mit den Fachhochschulen existieren Möglichkeiten, die zielgerichteter sind. Das mit einem Fachstudium wie Wirtschaft oder Politik zu kombinieren, wäre theoretisch ideal. Die Machbarkeit ist wieder eine andere Sache. Was auf der FH zu kurz kommt, ist der Freiraum, der für die eigenen Interessen genutzt werden kann.

derStandard.at: Und die Jobaussichten werden sich in den nächsten Jahren nicht zum Positiven verändern?

Kraus: Zumindest nicht eklatant, obwohl die Branche selbst immer wichtiger werden wird. Es besteht ein enormer Bedarf an seriöser und professionell aufbereiteter Information.

derStandard.at: Deswegen der Verein "Wiener Medienfortbildung" ins Leben gerufen?

Kraus: Die Bildungsaktivitäten im Medienbereich wurden von der Stadt als eine von vielen Maßnahmen zur Stärkung Wiens als innovativen Medienstandort initiiert. Das Konzept wurde in mehreren Stufen vom Medienhaus Wien erstellt. Der für die Trägerschaft dieser Bildungsmaßnahmen gegründete Verein hat zwei Aufgaben. Zum Ersten ist er der Wiener Träger des Master-Studiengangs "International Media Innovation Management" (IMIM). Die zweite Aufgabe ist der Aufbau einer Weiterbildungseinrichtung unter dem Namen "Forum Journalismus und Medien Wien". Der Begriff "Forum" soll den Diskursgedanken unterstreichen, der neben dem Handwerklichen sehr stark im Vordergrund stehen wird.

derStandard.at: Wann fällt der Startschuss?

Kraus: Der Studiengang IMIM startet am 4. Oktober in Wien mit Teilnehmern aus neun verschiedenen Ländern. Für das "Forum Journalismus und Medien Wien" wird jetzt das Detailprogramm für 2012 erarbeitet, einige Veranstaltungen wird es bereits 2011 geben, etwa zu Medieninnovation oder Datenjournalismus. Hier werden einzeln zu buchende High-End-Seminare, Workshops und Vorträge angeboten werden. Details gibt es im September.

derStandard.at: Welche Kosten fallen für den Masterstudiengang an?

Kraus: Der Lehrgang ist zweijährig und startet vorerst jedes zweite Jahr, also dann wieder 2013. Pro Jahr fallen Kosten von 20.000 Euro an. Inkludiert sind individuelles Sprachtraining und die Reise- und Aufenthaltskosten.

derStandard.at: Wie sieht die Struktur aus?

Kraus: Strukturiert ist der Lehrgang in Modulen, unser akademischer Partner ist die deutsche Universität für Weiterbildung mit Sitz in Berlin. Die Lektoren kommen aus Praxis und Forschung, neben vielen anderen werden etwa Lis Ribbans, Managing Editor des "Guardian", Romanus Otte, General Manager von "Welt Digital", Wolfgang Blau, Chefredakteur von "Zeit Online" oder Lucy Küng von der Universität St. Gallen vortragen.

Es wird sechs Anwesenheitsmodule geben, die zwischen sieben und zehn Tagen dauern. Die finden in Wien, Berlin, Spanien, London und in den USA statt. Zwischen den Anwesenheitsphasen müssen Projekte und Case Studies gemacht und Webinare absolviert werden.

derStandard.at: Das hört sich ziemlich zeitintensiv an. Der Masterlehrgang ist nicht berufsbegleitend gedacht?

Kraus: Doch. Die Anforderungen an die Teilnehmer sind hoch. Im Prinzip sind es drei Anwesenheitsmodule pro Studienjahr. In den meisten Fällen werden die Teilnehmer von ihren jeweiligen Unternehmen unterstützt, die einen Teil der Teilnahmegebühr zahlen. Diese Unternehmensanbindung ist ein wichtiges Element.

derStandard.at: Der Verein hat seinen Sitz in St. Marx. Glauben Sie, dass das Konzept der Stadt Wien, hier einen Mediencluster zu etablieren, aufgehen wird?

Kraus: Ja. Es beginnt zu leben. Schon jetzt sind viele Firmen hier. Der Vorteil von so einem Standort ist, dass sich durch zufällige Treffen ein produktiver, unkomplizierter Austausch ergibt. Kommunikation wird ermöglicht.

derStandard.at: Hat Wien diese Entwicklung ein bisschen verschlafen?

Kraus: Es ist toll, dass die Stadt in Medien und Weiterbildung investiert, aus meiner Sicht war das Fehlen von Mid Career Training ein Manko. Immerhin sind in Wien 55 Prozent der österreichischen JournalistInnen beschäftigt, fast zwei Drittel der Wertschöpfung werden in Wien erzielt. Wenn man sich andere Branchen vor Augen führt, wo lebenslanges Lernen nicht nur ein Schlagwort ist, so war dieser Mangel an hochwertigem Weiterbildungs-Angebot für JournalistInnen absurd. Es gibt ganz viele, die überhaupt nie an einer Weiterbildung teilnehmen.

derStandard.at: Aus welchem Grund?

Kraus: Weil das Angebot fehlte. Das dürfte aber auch damit zusammenhängen, dass Journalismus noch lange als Begabungsberuf gesehen wurde. In besonderem Ausmaß von jenen, die selbst keine journalistische Ausbildung haben. Unsere Daten belegen auch, dass jene, die über eine journalistische Ausbildung verfügen, eher Weiterbildung in Anspruch nehmen.

derStandard.at: Heuer wurde zum ersten Mal die SIME-Konferenz mit dem Schwerpunkt Digitales in Wien abgehalten. Kann Wien zu einem attraktiven Standort für internationale Konferenzen avancieren?

Kraus: Wien als Stadt ist irrsinnig attraktiv. Die Leute kommen gerne her. Natürlich wird man nie die Masse erreichen, mit der andere Medienstandorte aufwarten können. München hat in etwa im Medienbereich die zehnfache Wertschöpfung von Wien. Das Potenzial für Wien liegt eher darin, mit der Spezialisierung auf Innovationen und als Anknüpfungspunkt für Netzwerke zu punkten. Da ist mehr Hirnschmalz und weniger die Macht der Masse gefordert.

derStandard.at: Teilen Sie den oft geäußerten Befund, dass sich Qualitätsjournalismus im Internet nicht finanzieren lässt?

Kraus: Alan Rusbridger, Chefredakteur des "Guardian", hat bei der Tagung "Journalism 2020" in Wien letztes Jahr gemeint, dass wir momentan eine fantastische Zeit für den Journalismus erleben. Es gab noch nie so viele Möglichkeiten. Auf der anderen Seite ist es aber keine fantastische Zeit, um mit dem Journalismus Geld zu verdienen. Aus meiner Sicht wird sich Qualitätsjournalismus im Internet finanzieren lassen, aber nur für Unternehmen, die das strategisch angehen. Etwa, weil sie Marktleader in einem bestimmten Segment sind, Nischen besetzen, Innovationen forcieren oder auf Diversifizierung setzen.

derStandard.at: Glauben Sie, dass sich Paid Content-Modelle durchsetzen werden?

Kraus: In spezialisierten Nischen ja. Leute bezahlen jetzt schon für den Zugang zu Online-Archiven oder für Fachinformationen.(Oliver Mark, derStandard.at, 25.8.2011)