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Hartnäckige Klischees. Pflegekräfte und MedizinerInnen werden noch immer gern in "Schwestern" und "Ärzte" unterteilt.

Foto: APA/KANS KLAUS TECHT

Eine rollenbildneutrale Mediengestaltung - keinem geringeren Ziel will man mit der "Charta für rollenbildneutrale Mediendarstellung" entgegenstreben. Seit Juli dieses Jahres treten die Mitarbeiterinnen von der Interessenvertretung "Frau in der Wirtschaft" in allen Bundesländern mit dieser Charta an Medienleute heran, deren Forderungen auf das erste Hinhören machbar klingen, letztendlich aber nichts anderes als eine kleine Revolution bedeuten. Und für die unterzeichnenden MedienmacherInnen jede Menge Arbeit - zumindest wenn sie die Forderungen der Charta ernst nehmen. "Diskriminierende Darstellung klar ablehnen", "die Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf an Frauen und Männer adressieren", "Frauen und Männer in unterschiedlichen Berufsbranchen und in Führungspositionen zeigen" oder auch auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei Diskussionsrunden achten - so lauten vier der insgesamt sieben Charta-Wünsche.

Tiroler Medien vorne dabei

Unterschrieben haben die Charta, die zu nichts verpflichtet, bereits ein paar große Medienunternehmen: Regionalmedien Austria, die Tiroler Tageszeitung, ORF Tirol oder die Kronenzeitung Tirol. "Dass bisher vorwiegend Tiroler Medien unterschrieben haben ist Zufall, die Kollegin in Tirol hat einfach schon viele erreicht - trotz Urlaubszeit", so Elisabeth Zehetner, Bundesgeschäftsführerin von "Frau in der Wirtschaft" gegenüber dieStandard.at. "Die traditionellen Rollenbilder sind noch immer sehr stark vorhanden. Ein gutes Beispiel sind Karriereinterviews. In denen werden Frauen ständig nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefragt, Männer aber so gut wie nie. Diese tradierten Vorstellungen zu durchbrechen ist wichtig, und dabei könnten die Medien eine große Rolle spielen." Vorausgesetzt sie wollen. Zehetner möchte die Charta als Selbstverpflichtungskatalog für die Medien verstanden wissen, Kontrolle oder Sanktionen könnte es keine geben.

Anliegen verstanden?

Dennoch müssten sich die Medien, die diese Charta unterschrieben haben, auf Fragen gefasst machen, wenn sie deren Inhalte nicht ansatzweise umsetzen, so Zehetner. Eine kleine Intervention bietet sich zum Beispiel schon mal beim ORF Tirol an, macht sich doch das ORF Radio Tirol gerade auf die Suche nach dem "Oktoberfestmädel 2011", das am 3. September gekürt werden soll. Um die Entscheidung zu erleichtern steht auf der Website von ORF Radio Tirol eine 40-teilige Bilderserie zur Verfügung: 40-mal in Dirndln posierende Frauen.

Unwahrscheinlich dürfte sein, dass sich die Kronenzeitung um die Vermeidung von Rollenklischees oder Sexismus bemüht, dennoch zählt die Kronenzeitung Tirol schon zu den UnterstützerInnen. Aber selbst wenn diese künftig getreu der Charta berichten würde, hätte dies auf die restlichen Teile der Zeitung keinen Einfluss. Die im sogenannten Zeitungsmantel in allen Bundesländern publizierten Meldungen und Bilder auf den Politik, Wirtschafts- oder Meinungsseiten werden in gewohntem Stil erscheinen - inklusive Pin-up Fotos. Es sei denn, die Zuständigen für die bundesweit publizierten Inhalte versprechen mittels Charta Besserung, was bis dato nicht passiert ist.

Nur ein paar Seiten "Rollenneutral"

Ein ähnliches Problem ergibt sich bei den Regionalmedien Austria. Karin Strobl zeichnet sich als Chefredakteurin für den überregionalen "Österreich"-Teil der Wiener Bezirksblätter, der Bezirksblätter Burgenland, Niederösterreich, Salzburg und Tirol sowie für die "Woche" Steiermark und Kärnten verantwortlich - insgesamt 130 Ausgaben. Damit sich die "Rollenneutralität" nicht auf den überregionalen Abschnitt beschränkt, versichert Strobl gegenüber dieStandard.at: "Auch die Chefredakteure und Chefredakteurinnen in den Bundesländerredaktionen werden unterschreiben." Zu den derzeitigen Mängeln in Sachen Rollenverständnis meint Strobl, "wo gearbeitet wird, passieren Fehler". Und weil Strobl solchen nicht in allen Ausgaben nachspüren kann und will, möchte sie auf die Ausbildung setzen. "Wir bilden unsere Jungredakteure und Jungredakteurinnen selber aus und arbeiten gerade an dem Lehrplan für 2012." In diesem soll ein Bewusstsein dafür vermittelt werden, wie festgefahrene Zuschreibungen vermieden werden können.

Strobl hatte beim Charta-Unterschreiben schon Übung. Sie ist auch Vorsitzende vom "Frauennetzwerk Medien", das sich auch zu den UnterstützerInnen zählt. Worauf Strobl als Chefredakteurin der Regionalmedien Austria jedoch keinen Einfluss hat, sind die Anzeigen. Hätte "Frau in der Wirtschaft" nicht auch die Werbewirtschaft und die vielen sexistischen Sujets in der Charta thematisieren sollen? "Wir haben uns auf die redaktionellen Inhalte konzentriert. Werbung haben wir da nicht dabei, es möchte ja niemand auf diese Werbeeinnahmen verzichten. Aber wir haben überlegt, die Charta an den Werberat weiterzuleiten."

Sexismus als täglich Brot

Auch abseits von Werbesujets braucht Sexismus in den Medien nicht gesucht werden. Fotos in allen Varianten von Männern, die links und rechts eine Frau im Arm halten, Titel wie "Zu wenige Schwestern, kranke Ärzte", oder "Ganz ohne Stutenbissigkeit: Auch Frauen können Netzwerken" sind für die LeserInnen täglich Brot. Beispiele, die im Übrigen aus jenen Medien stammen, die mit ihrer Charta-Unterschrift solchen Inhalten abzuschwören gelobten. Offen muss somit vorerst bleiben, ob sie die Stereotypen, sexistischen Klischees oder diskriminierenden Darstellungen überhaupt als solche erkennen. Das kann auch eine geleistete Unterschrift der "Charta für rollenbildneutrale Mediendarstellung" nicht garantieren. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 1. September 2011)