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"Anfüttern statt Umwerben" lautet die Content-Marketing-Strategie. Da Kunden immer weniger auf klassische Werbung reagieren, werden sie mit relevanten Informationen auf die Produktseiten gelockt.

Foto: apa/Angelika Warmuth

Joe Pulizzi, Gründer des Content Marketing Institute und Autor des Standardwerks "Get Content Get Customers", findet seinen Namen regelmäßig in den Listen einflussreicher Business-Innovatoren wieder. Seit Jahren tourt er durch die USA und Europa, um Marketern die neue Art des Geschichtenerzählens näher zu bringen. "Hinter Content Marketing stehen die Philosophie und Praxis, dass heutzutage alle Marken Verleger sind. Es geht um die fortwährende Schaffung und den Vertrieb von wertvollen, relevanten und ansprechenden Inhalten, um Konsumenten anzuziehen und an sich zu binden".

Als Vorzeigebeispiel gilt Ikea, das auf seiner Website in Video-Tutorials Aufbau- und Einrichtungstipps anbietet. Andere Unternehmen wie Fly Niki ergänzen ihr Angebot durch Städtetipps und Reiseinformationen, H&M berät bei der richtigen Pflege der Kleidungsstücke. Je relevanter und nützlicher die Information für den Kunden ist, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Marke positiv mit Mehrwert assoziiert wird und sich das aufgebaute Vertrauen auch monetär bezahlt macht.

Content-Varianten

Die Inhalte können dabei höchst unterschiedlicher Natur sein und müssen exakt zum Produkt passen. Ob Bilder, Audio- und Video-Content, interaktive Tools, Spiele, Hintergrundinformationen wie Fachartikel, Fallstudien, White Papers oder Newsfeeds - was für den Konsumenten interessant ist und auf die eigene Webpräsenz lockt, ist zweckdienlich. Joe Pulizzi führt weiter aus: "Content Marketing gibt es seit dem Anbeginn der Zeit. Der Unterschied zu heute ist, dass es durch die digitalen Möglichkeiten zwischen uns und unseren Kunden keine Grenzen mehr gibt. Gleichzeitig wird es aber immer schwieriger, das Interesse über die etablierten Marketingstrategien zu wecken. Um also die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich zu ziehen, müssen wir fesselnde Geschichten mithilfe unterschiedlicher Medien verwenden und diese Content-Angebote in unsere Marketingstrategie integrieren."

Zusatzeffekt: SEO

Neben dem Effekt, dass der Kunde mit schnellen und übersichtlichen Informationen angefüttert wird, bieten die Faktoren frischer Content und Kundenkommunikation neben erstarkter Markenloyalität und positivem Imagetransfer noch ein weiteres Plus: Die Webpräsenz steigt im Suchmaschinenranking. Dabei erweist es sich als hilfreich, Texte mit prägnanten Formulierungen und eine empfohlene Keyword-Dichte von drei bis fünf Prozent zu forcieren.

Laut der ersten deutschlandweiten Content-Marketing-Praxisstudie vom Herbst 2010, an der 654 Unternehmen der digitalen Wirtschaft teilnahmen, schätzten 62,69 Prozent der Befragten Content als wichtig für ihr Geschäft ein. 74,31 Prozent gaben an, dass die Bedeutung von Content für ihren Geschäftserfolg in Zukunft zunehmen wird.

Content-Handelsplattformen

Um die konstante Versorgung mit neuen Inhalten garantieren zu können, haben sich Handelsplattformen gebildet, auf welchen sich Käufer und Verkäufer treffen können, um Inhalte anzubieten und zu verkaufen. Das Angebot setzt sich mehrheitlich aus themenspezifischen Beiträgen und der Zweitverwertung von Premium-Content-Angeboten zusammen. Die Vorteile liegen auf der Hand: der Content-Käufer spart bei den Personalkosten und kann aus einem reichen Feld von spezialisierten Angeboten auswählen.

Rechtsanwalt Tim Rupp von der Kanzlei Osborne Clarke vertritt Deutschlands größte Handelsplattform Contilla.de und erklärt, worauf man in erster Instanz achten muss. "Das Wichtigste ist die saubere Lizensierung von Content, dass alle Rechte, die ich brauche, auch vorhanden sind und richtig übertragen werden. Bei einem Marktplatzsystem muss ich gewährleisten, dass der Content-Anbieter dazu berechtigt ist, Inhalte zu lizensieren. Er muss der Urheber oder zumindest vom Urheber dazu berechtigt sein, Content auf die Plattform zu stellen, ansonsten begehe ich als Plattformbetreiber eine Rechtsverletzung und riskiere bei Abmahnung einen finanziellen Schaden. Durch Rechteübertragung in den Verträgen oder AGBs sowie durch Haftungsklauseln muss ich sicherstellen, dass für mich kein Schaden entsteht."

Abmahnwesen am Vormarsch

Durch den Wachstumsmarkt Content Marketing eröffnet sich für Anwälte ein neues Betätigungsfeld. Wie Tim Rupp berichtet, nehmen aufgrund der frei zugänglichen Informationsflut immer noch viele Unternehmen an, für Inhalte wie beispielweise Bilder nicht bezahlen zu müssen. Daraus habe sich im Rechtsbereich des Abmahnwesens ein neues Geschäftsmodell für Rechtsanwälte aufgetan. "Das Abmahnwesen gibt es schon länger, es wird einfach nur ein neues Becken gesucht, in dem man sich tummelt, in dem man neue Abmahngründe suchen kann. Die Kollegen sind da sehr kreativ."

Content-Syndizierung

Eine weitere Variante der Content-Beschaffung ist die Content-Syndizierung. Dabei werden auf zumeist kostenloser Basis Inhalte getauscht. Bei diesen sogenannten "Barter-Deals" gelten Content, Traffic und Werbeleistungen als die wichtigsten Währungseinheiten. Hintergrund dabei ist vielfach die Suchmaschinenoptimierung, da Rankings durch Linkpartnerschaften maßgeblich beeinflusst werden. Der Contentlieferant hingegen profitiert vom "Spill-Over-Effekt", der Ausweitung seiner Reichweite. Aus diesem Grund bieten zahlreiche Nachrichtenagenturen kostenlose Newsfeed-Tools an, die leicht in die eigene Webpräsenz eingebaut werden können.

Unique Content

Große Markenanbieter haben sich dazu entschlossen, auf Unique Content zu setzen und haben dafür laut Joe Pulizzi einen neuen Berufszweig ins Leben gerufen. Sie heuern Chief Content Officers (CCOs) an, die den Story-Telling-Prozess innerhalb des Unternehmens koordinieren und sowohl die Marke als auch den Kunden in die Geschichten integrieren. "Der Konsument sitzt heute am Drücker. Er hat so viele Möglichkeiten, um an Informationen zu kommen, dass er auch keinen Verkäufer mehr konsuliteren muss. Die Macht der Geschichten allerdings währt schon seit Jahrhunderten und wird weiterhin wichtig bleiben."

Laut einer Studie "2010 B2B Content Marketing Benchmarks, Budgets and Trends" des Content Marketing Institute aus dem Jahr 2010 werden in Nordamerika bereits 26 Prozent des Marketingbudgets für Content Marketing verwendet. Ein Signal, dass der Trend auch in Europa angekommen ist, ist die heute stattfindende 1. Content-Marketing-Conference in Köln. (Tatjana Rauth/derStandard.at/01.09.2011)