Reinhold Mitterlehner sieht eine politisch unangenehme Themenlage für die ÖVP.

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"Bei einer Diskussion über eine Vermögenssteuer werden wir emotional nicht gewinnen."

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"Wir müssen den Standort sauber halten und die Werte-diskussion anders führen als bisher."

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Standard: Die SPÖ scheint einen Zwischenwahlkampf zu führen und spielt Themen, die auch gut in eine Wahlauseinandersetzung passen würden, Vermögenssteuer, Gerechtigkeit, Wehrpflicht. Wie belastet ist das Koalitionsklima?

Mitterlehner: Es belastet das Klima schon, weil diese Themen nicht von irgendwem, sondern vom Bundeskanzler und damit dem Chef der Koalitionsregierung nach außen getragen wurden. Damit entsteht der Eindruck, dass nicht gearbeitet wird, sondern dass wieder die Auseinandersetzung im Vordergrund steht. Ich würde es nicht überbewerten, aber der Eindruck, dass man vorwahlmäßig Positionen besetzt und sie beim Bürger verfestigen will, ist nicht verfehlt.

Standard: Es ist doch legitim, eine Vermögenssteuer zu fordern.

Mitterlehner: Es ist populistisch, wenn man dieses Thema in Zeiten, wo für Neuverteilungen wenig Spielraum ist, spielt und die Illusion erweckt, mit der Besteuerung der Vermögen wäre das Problem gelöst.

Standard: Aber auch in anderen Ländern gibt es Diskussionen über Vermögens- oder Reichensteuern. Das ist ja keine Erfindung von Werner Faymann.

Mitterlehner: Es gibt eine europaweite Diskussion. Vor dem Hintergrund, alle gleichberechtigt bei der Konsolidierung einbeziehen zu wollen, verstehe ich die Debatte auch. Ich halte allerdings die vorgeschlagenen Lösungen im Bereich Vermögenssteuer für kontraproduktiv. Beim Budget helfen uns nicht neue Steuern weiter, sondern mehr Effizienz.

Standard: Ihr Landesparteichef Josef Pühringer ist ebenfalls für eine Millionärssteuer. Damit liegt er nicht so weit weg von dem, was Faymann will.

Mitterlehner: Es wird immer unterschiedliche Meinungen geben. Die Schwierigkeit besteht darin: Wie bewerte ich Vermögen? Und es besteht die Gefahr, dass man Substanz besteuert, wo gar keine Erträge sind.

Standard: Der SPÖ-Vorschlag geht in Richtung ein Prozent der Bevölkerung, also echte Millionäre.

Mitterlehner: Das Problem ist die Feststellung. Wie stellen Sie die 74. 000 bis 85.000 Personen, von denen die Rede ist, fest? Da ist man sich nicht einmal klar, auf Basis welcher Statistik diese Zahlen genannt werden.

Standard: Kann man davon ausgehen, dass beide Parteien mit jeweils ihren Vorschlägen zu einer Steuerreform in den Wahlkampf gehen werden?

Mitterlehner: Das ist ja nichts Unanständiges. Aber zum jetzigen Zeitpunkt halte ich eine Steuerreformdiskussion, bei der es nur darum geht, mehr Einnahmen zu lukrieren, für falsch.

Standard: Man muss feststellen: Die Themen, die derzeit in Diskussion sind, liegen der ÖVP nicht besonders: Vermögenssteuer, Bundesheerreform, Telekom.

Mitterlehner: Dem würde ich zustimmen. Bei einer Diskussion über eine Vermögensteuer werden wir emotional nicht gewinnen. Wir haben durchaus auch Positiv-Themen wie Familie und Energie.

Standard: Die Telekom-Affäre wirft ein ganz schlechtes Licht auf die schwarz-blau-orange Regierung von Wolfgang Schüssel. Hat man schon mit ihm gesprochen?

Mitterlehner: Ich nehme an, dass der Parteiobmann mit ihm in Kontakt ist. Insgesamt ist es keine angenehme Situation, weil ein verallgemeinerndes Bild entsteht. Ich hoffe, die rechtlichen Untersuchungen sind bald abgeschlossen. Sonst steht immer das Pauschale im Raum, was ein ganz schlechtes Licht auf die gesamte Politik wirft.

Standard: Was kann die ÖVP zur Aufklärung beitragen?

Mitterlehner: Zunächst ist das einmal im Bereich der Telekom zu klären. Das andere ist die Frage der politischen Verantwortung. Das ist eine Wertefrage: Hat man das sehen können oder müssen? Das kann ich in diesen Stadium nicht beurteilen.

Standard: Aber es deutet doch alles darauf hin, dass die Telekom ein politischer Selbstbedienungsladen war. Ex-VP-Chef Molterer gab ein Fußball-Sponsoring in Auftrag. Zahlreiche Politiker haben über Beraterverträge mitgeschnitten.

Mitterlehner: Da muss man in der Sache differenzieren. Eine Zahlung an einen Fußballverein in geringer Größenordnung ist etwas anderes als ein Beratervertrag, wo es Leistung und Gegenleistung gab. Und nochmal etwas anderes ist die Beeinflussung eines Aktienkurses, die wahrscheinlich strafrechtlichen relevant ist. Bevor man das bewertet, braucht man gesicherte Fakten. Die kenne ich nicht. Wir befinden uns im spekulativen Bereich, wo Äußerungen auf Gegenäußerungen treffen. Dass wir jetzt schon die Konsequenzen ziehen sollen, finde ich problematisch.

Standard: Die Telekom ist nicht irgendein Unternehmen. Der Staat ist beteiligt. Es stellt sich schon die Frage, ob die Aufsicht hier funktioniert hat. Muss man nicht die Instrumentarien nachschärfen?

Mitterlehner: Ja, diese Notwendigkeit sehe ich. Es ist schon aus Wettbewerbsgründen notwendig, dass wir unseren Standort sauber halten und die Wertediskussion anders führen als bisher. Das Hauptproblem ist, dass viele, die in diesem Handlungsfeld tätig sind, mangelndes Unrechtsbewusstsein haben. Das geht so weit, dass man sagt: Das war zwar ein Fehler, aber ich war ein Techniker und konnte das gar nicht bewerten. Daher müssen wir die Spielregeln und Werte intensiver diskutieren und mehr vorgeben

Standard: Woran denken Sie?

Mitterlehner: Der Governance-Kodex für Manager im öffentlichen Bereich ist ein Thema. Es geht um mehr Transparenz - auch bei Bonizahlungen und der Gehaltssituation überhaupt. Zudem ist die Brauchbarkeit der Instrumente der Finanzmarkt- und Börsenaufsicht zu überprüfen. Und man wird sich auch die Antikorruptionsbestimmungen noch einmal ansehen müssen.

Standard: Könnte ein Untersuchungsausschuss dabei helfen?

Mitterlehner: Ich bin mir sicher, dass es einen derartigen U-Ausschuss geben wird. Jeder, der das verhindert, wird als derjenige dargestellt, der was zu verbergen hat.(Günther Oswald, Michael Völker, DER STANDARD; Printausgabe, 2.9.2011)