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Frankreichs Präsident und Gastgeber im Elysee-Palast in Paris, Nicolas Sarkozy, begrüßt Mustafa Abdel Jalil (m.) und Mahmoud Jibril (l.), die beiden Vertreter des NTC (National Transitional Council).

Foto: REUTERS/Benoit Tessier

Offiziell ging es bei der Konferenz der "Freunde Libyens" um Nothilfe und die möglichst geordnete Neuorganisation des Wüstenstaates. Nach 42 Jahren Diktatur und nun sechs Monaten Krieg droht Libyen das Chaos. Die beiden Hauptvertreter des Übergangsrats, Mahmud Jibril und Mustafa Abdel Jalil, präsentierten in Paris eine "Roadmap" von humanitären Eingriffen bis hin zur Bildung eines demokratischen und rechtsstaatlichen Staatswesens.

Ihrem Wunsch nach Freigabe der weltweit gesperrten Gaddafi-Gelder sind einzelne Staaten bereits zuvorgekommen: London entsandte laut BBC ein Flugzeug mit Dinar-Säcken im Wert von 1,1 Milliarden Euro nach Tripolis; französischen Banken gaben nach Rücksprache mit dem Sanktionsausschuss der Uno ihrerseits 1,5 Milliarden Euro frei; die Regierungen in Berlin und Washington dürften folgen. Die EU kündigte am Donnerstag zum Konferenzbeginn eine teilweise Aufhebung ihrer Sanktionen gegen 28 libysche Unternehmen und Behörden an.

So viel Hilfsbereitschaft macht stutzig, zumal einzelne Libyen-Experten warnen, bisherige Gaddafi-Gefolgsleute könnten Gelder in die falschen Kanäle leiten. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel wies darauf hin, dass Libyen dank seiner Erdölschätze "keine Geldprobleme" habe. Dringender ist die Notversorgung der Bevölkerung in einzelnen Regionen. Dazu wollen die Konferenzteilnehmer großzügig beitragen.

Die Sorge um die Stabilität des Wüstenstaates hat aber noch einen wichtigeren Grund: Libyen unterhielt vor dem Krieg die viertgrößte Ölproduktion Afrikas; ausländische Konzerne wie die italienische Eni, die französische Total, die amerikanische Exxon, die britisch-holländische Shell oder die algerische Sonatrach verfügten über lukrative Förderverträge. Jetzt werden die Karten neu gemischt. Frankreich und Großbritannien, die den libyschen Übergangsrat von Beginn an diplomatisch und dann auch militärisch an vorderster Front unterstützten, wollen sich zusätzliche Stücke des Erdölkuchens sichern.

Geheimer Brief

Die Pariser Tageszeitung Libération hatte einen geheimen Brief von April publiziert, in dem der Übergangsrat verspricht, Frankreich gegen die "vollständige und dauernde" Unterstützung insgesamt 35 Prozent des geförderten Erdöls zuzuhalten.

Länder wie Italien oder die USA, die sich im Nato-Einsatz zurückgehalten hatten, aber auch das militärisch zurückhaltende Deutschland fürchten hingegen um ihre Marktanteile. Wohl deshalb waren sie an der Pariser Konferenz prominent vertreten - Rom und Berlin durch ihre Regierungschefs, Washington durch Außenministerin Hillary Clinton. (Stefan Brändle aus Paris, STANDARD-Printausgabe, 2.9.2011)