Das Lokal auf der Hauptbibliothek bietet einen tollen Blick auf den Urban-Loritz-Platz. Beim Service gäbe es noch Spielraum nach oben.

Foto: Standard/Newald

Wien - Die Kellnerin war freundlich, aber abweisend: Eigentlich, sagte die junge Frau mit den schwarzen Dreadlocks, sperre sie ja schon zu. Ob man denn wirklich hier etwas trinken wolle? Der Gast staunte: Laut Lokalhomepage sei doch bis 23 Uhr geöffnet - jetzt sei es nicht einmal halb zehn Uhr abends. Und eigentlich sei er mit Freunden aus Westösterreich just wegen des Ausblicks hierher gekommen: Ein urbanes Panorama wie von der Terrasse der Hauptbibliothek am Wiener Gürtel gebe es sonst nirgendwo. Nicht umsonst nenne sich das Lokal über dem Urban-Loritz-Platz ja "Oben". Die Kellnerin erbarmte sich: "Na gut - aber nur bis halb elf." Der Gast dürfe sogar einen Tisch von hinter dem nur halb geöffneten massiven Gittertor nach vorne an die Panoramakante tragen, "wenn du ihn dann selbst zurückträgst".

Der Gast versprach es - und hatte noch eine Frage: wieso das "Oben" denn an einem so schönen Spätsommerabend früher zusperre? Die Antwort der Kellnerin konnte er nur zur Kenntnis nehmen - aber nicht nachvollziehen: "Weil den ganzen Tag nix los war." Darum, "tut mir leid", sei auch die Küche schon zu.

Unbemerkte Gäste

Minuten später saßen die Köchin, die Kellnerin und ihr Kollege auf den Stufen. Den Rücken zum Lokal. Sie schauten über die Stadt - und bemerkten neue Gäste und solche von den Tischen hinter der massiven, die Sicht verstellenden Gitterschiebetür oder Durstige vom "Kino am Dach" weiter hinten auf der Terrasse gar nicht.

Einer der aus Westösterreich angereisten Besucher suchte im Web nach dem "Oben": "Das Service ist noch ein wenig verwirrt, aber das wird sich hoffentlich noch einspielen", las er etwa auf der Rezensionsplattform qipe. Er nickte. Das Datum des Eintrages machte ihn allerdings stutzig: 1. Oktober 2010 - also kurz nachdem das "Oben" aus der Asche des zuvor hier wegen seines stadtbekannt inferioren Services eingegangenen "Canetti" entstanden war. Der Besucher, selbst Gastronom, schüttelte den Kopf: "Wenn man sich nicht ganz blöd anstellt, ist so eine Hütte gesteckt voll. Eine Goldgrube. Aber mit einer Servicewüste kann man heutzutage an so einer Location Schiffbruch erleiden." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD-Printausgabe, 2.9.2011)