Gut möglich, dass Walter Geyer am Donnerstag bei der feierlichen Eröffnung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftssachen und Korruption ein Déjà-vu-Erlebnis hatte. Es ist erst zweieinhalb Jahre her, dass ihm die damals neu geschaffene Antikorruptionsstaatsanwaltschaft übertragen wurde. Damals wie heute starten die Unbestechlichen mit einem personellen Provisorium, das peu à peu ausgebaut werden soll.

Staatsanwälte brauchen einen langen Atem. Und den hat Walter Geyer schon immer gehabt. Während seiner kurzen Zeit als aktiver Politiker für die Grünen unter Freda Meissner-Blau hielt er 1988 im Parlament eine neunstündige Rede zum Thema Waldsterben. Dem legendären Auftritt folgte postwendend die Redezeitbeschränkung für Abgeordnete am Podium. Nach zwei Jahren trat Geyer von der Politbühne ab und legte wieder den Talar der Anklagebehörde an.

Inzwischen ist der 64-Jährige zur Galionsfigur im Kampf gegen Freunderlwirtschaft und Schmiergeld geworden. Was aber nicht selbstverständlich war, denn nicht nur seine grün-rebellische Vergangenheit sprach gegen das Karrieremachen in der traditionell rot-schwarz besetzten Justiz. Mit seiner offenen Ablehnung der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft legte er sich sogar mit der Spitze an. Bisherige Justizminister und -ministerinnen waren nämlich der Meinung, dass die Politik der Staatsanwaltschaft auf die Finger klopfen dürfen soll. Mit Ausnahme von Maria Berger (SP), die aber zu kurz im Amt war, um das Weisungsrecht zu ändern.

Dass der Literaturfan und zweifache Vater dennoch einen guten Stand hat, hängt auch damit zusammen, dass er relativ gelassen auf Vorwürfe reagiert, die in seinem Job systemimmanent sind. Gute Nerven wird Geyer bis zu seiner Pensionierung auch noch brauchen. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass angesichts der massiven Korruptionsaffären in Österreich noch so mancher beschuldigte (Ex-)Politiker oder Lobbyist zum Gegenangriff auf Geyer losgehen wird.

Eines ist dem Mann, der meist in Sakko und Jeans auftritt, besonders wichtig: das sogenannte Anfüttern, also Zuwendungen ohne konkreten Zweck, wieder unter Strafe zu stellen. Aber auch Geyer hat seinen Preis: Mindestens fünf Millionen Euro muss der Schaden durch Korruption ausmachen, um überhaupt ein Fall für seine Truppe zu werden. (Michael Simoner, DER STANDARD; Printausgabe, 2.9.2011)