Damaskus/Istanbul - Das Blutvergießen in Syrien schweißt die traditionell zerstrittenen Oppositionsgruppen des Landes zusammen. Am Samstag trafen sich Vertreter von mehr als 70 verschiedenen Gruppierungen in Istanbul, um über eine Erweiterung des Mitte September gebildeten Übergangsrates zu verhandeln.

Ein Mitglied des Rates sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir befinden uns jetzt in einer kritischen Phase, das haben jetzt alle verstanden." Es sei jedoch nicht einfach, einen Konsens zu finden, "weil jetzt wirklich erstmals alle Gruppierungen vertreten sind". Auch die Muslimbruderschaft sei bereit, sich dem Rat anzuschließen, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Die Ergebnisse der Verhandlungen sollen spätestens am Dienstag der Öffentlichkeit präsentiert werden. Gemeinsames Ziel aller Oppositionellen ist der Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad. Uneinigkeit gab es in den vergangenen Wochen jedoch über die Frage, welche Form von ausländischer Unterstützung den Revolutionären helfen könnte und ob sie angesichts der Militäroperationen gegen Demonstranten zu den Waffen greifen sollten.

Menschenrechtler riefen unterdessen die syrische Führung auf, einen von ihren Sicherheitskräften gefolterten Studenten freizulassen. Die in London ansässige Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter teilte am Samstag mit, Anas al-Shoghri (23) sei am 14. Mai in der Stadt Baniyas festgenommen worden.

Ein Bruder des jungen Mannes habe nun erfahren, dass er vor einigen Tagen in ein Gebäude des Geheimdienstes (Abteilung Innere Sicherheit) in Damaskus verlegt worden sei. Dort habe man ihn schwer gefoltert. Er habe Verletzungen am Kopf und schwebe in Lebensgefahr. Die Organisation erklärte, der Student sei der erste Demonstrant in Baniyas gewesen, der "die Angst (vor dem Regime von Präsident Assad) überwunden hatte".

Die syrische Opposition glaubt, dass seit Beginn der Proteste gegen das Regime im März bereits mehr als 3000 Menschen getötet wurden. 90 Menschen sollen angeblich zu Tode gefoltert worden sein. Einige dieser Fälle wurden mit Fotos dokumentiert. Eine Überprüfung dieser Informationen ist jedoch wegen der Medienblockade oft nicht möglich. (APA)