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Proteste syrischer Oppositioneller vor Syriens Konsulat in Istanbul: Gaddafi ist weg – Assad der Nächste?

Foto: Reuters/Sezer

10.000 Männer und 18 Bataillone will er angeblich befehligen. Was Riad Assaad, selbst ernannter Kommandeur der "Freien Syrischen Armee" in der Türkei, tatsächlich vermag, ist unsicher. Doch die nun häufiger werdenden Angriffe von desertierten syrischen Soldaten auf Regierungstruppen bringen die Türkei in Erklärungsnot. "Wir beherbergen keine Militärpersonen, die mit militärischen Mitteln gegen das syrische Regime vorgehen" , formulierte ein türkischer Regierungsvertreter zu Wochenbeginn gegenüber Journalisten in Istanbul.

Riad Assaad sitzt mit angeblich 70 Gefolgsleuten in einem der Flüchtlingslager an der türkisch-syrischen Grenze. Denkbar ist, dass er von dort aus Angriffe auf Truppen und Sicherheitskräfte koordiniert, die loyal zu Syriens Machthaber Bashar al-Assad stehen. Waffen seien in den Lagern nicht erlaubt, versicherte der Regierungsvertreter. Der nur vorübergehende Aufenthalt der Soldaten in den Flüchtlingslagern sei aus humanitären Gründen gewährt worden. Die Soldaten hätten sich zudem nicht als solche zu erkennen gegeben, als sie in den vergangenen Monaten über die Grenze kamen. Das türkische Außenministerium hatte gleichwohl in einer offensichtlich an Damaskus gerichteten Botschaft vergangene Woche ein Treffen des Rebellenkommandeurs Assaad mit einem Journalisten der New York Times arrangiert und begleitet.

Nato schließt Eingreifen aus

Mit der Präsenz der "Freien Syrischen Armee" in der Türkei gewinnen Diskussionen über militärische Maßnahmen gegen Assads Regime an Fahrt. Der "Syrische Nationalrat" , das ebenfalls in der Türkei gegründete Oppositionsbündnis, fordert die Einrichtung von Pufferzonen - entmilitarisierten Streifen oder Flugverbotszonen - die der syrischen Bevölkerung Schutz vor den Angriffen von Assads Armee und Polizei bieten sollen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen schloss jedoch eine Intervention des Militärbündnisses wie in Libyen aus.

Ammar Qurabi, ein Mitglied des "Syrischen Nationalrats" und Direktor der Nationalen Organisation für Menschenrechte in Syrien, kritisierte die Zurückhaltung der türkischen Regierung. Zwar gebe es die Reden von Regierungschef Tayyip Erdogan gegen Assad, aber im Hintergrund passiere nichts, sagte Qurabi der türkischen Tageszeitung Zaman. Tatsächlich hat Ankara bisher noch keine der angekündigten Wirtschaftssanktionen gegen Syrien bekannt gegeben. Auch die von der türkischen Regierung versprochene Eröffnung einer offiziellen Vertretung des "Syrischen Nationalrats" in Istanbul steht noch aus, ebenso wie ein symbolisch bedeutsamer Besuch Erdogans in den Flüchtlingslagern an der syrischen Grenze.

Zugleich ist die Türkei aber weiter bestrebt, eine internationale Rolle als Vermittler zu spielen. Staatspräsident Abdullah Gül empfing am Dienstag in Istanbul seine pakistanischen und afghanischen Amtskollegen, Asif Zardari und Hamid Karsai. Die Begegnung sei angesichts der jüngsten Spannungen zwischen Kabul und Islamabad eine Gelegenheit für die beiden Staatschefs, ihre Gedanken frei zu äußern, meinte im Vorfeld ein türkischer Regierungsvertreter.

Heute, Mittwoch, organisiert die türkische Regierung eine Ministerkonferenz zu Afghanistan, an der auch US-Außenministerin Hillary Clinton, Vertreter der Nachbarländer und mehrerer EU-Staaten sowie der indische Außenminister teilnehmen. Das Schlussdokument soll eine Reihe vertrauenbildender Maßnahmen auflisten, auf die sich die Partnerländer Afghanistans mit Blick auf die Zeit nach dem Rückzug der US-Truppen Ende 2014 einigen würden, hieß es. (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)