Es war eine nette Halloween-Überraschung, die Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Montagabend verkündete. Das griechische Volk soll nun darüber abstimmen, ob es das mit den EU-Partnern ausgehandelte zweite Rettungspaket für gut befindet. So manchem europäischen Spitzenpolitiker jagte die Ankündigung einen größeren Schrecken ein, als es jede Axt-Mörder-Maske geschafft hätte.

Dabei sind die grundsätzlichen Überlegungen Papandreous nicht absurd. Kein Politiker kann auf Dauer regieren, wenn er nicht die eigene Bevölkerung hinter sich hat. Der Ministerpräsident agiert aber halbherzig. Wenn er schon aufs Ganze gehen will, sollte er Neuwahlen ausrufen und keine Volksabstimmung. Geht Letztere gut aus, gibt es zwar den Sanktus für das aktuelle Rettungspaket. Bei jeder neuen Diskussion stünden die Sozialisten aber mit der gleich dünnen Mehrheit wie jetzt da (aktuell sind es gerade noch zwei Stimmen).

Geht die Volksabstimmung mit Nein aus, wäre Papandreous Regierung erst recht Geschichte. Es würde also nur noch länger dauern, bis klar ist, welchen Kurs Griechenland einschlägt. Unsicherheit ist allerdings Gift für die Finanzmärkte. Die drastischen Kursbewegungen vom Dienstag sind der beste Beweis dafür.

Sofortige Neuwahlen könnten hingegen zu einem Befreiungsschlag für die aktuelle Regierung werden. Papandreou kann sich klar vom Wir-lehnen-alles-ab-Kurs der konservativen Nea Dimokratia abgrenzen. Schließlich war es die Partei von Oppositionschef Antonis Samaras, die federführend bei den Budgettricksereien war, die Ausgangspunkt für die griechische Tragödie waren.

Bei Neuwahlen könnten die Griechen zwischen zwei Wegen wählen. Erstens: Will man in der EU bleiben, gibt es keine Alternative zum Rettungspaket und der damit verbundenen Sparauflagen. Die Verhandlungsbereitschaft in den anderen EU-Ländern ist weitgehend ausgereizt. Oder zweitens: Man versucht sein Glück außerhalb der Europäischen Union - mit all den drohenden Verwerfungen in der Finanz- und Realwirtschaft, die die aktuellen Probleme noch bei weitem übertreffen werden.

Da die Alternative also de facto keine ist, kann ein vorgezogener Urnengang durchaus eine Chance für Griechenland und auch die EU sein. Geht Papandreou neuerlich als Sieger hervor, kann er seinen Kurs gestärkt (vor allem innerparteilich) fortsetzen.

Gewinnt Oppositionschef Samaras, müsste er Farbe bekennen. An einem Austritt aus der EU wird auch er kein Interesse haben. Erst einmal im Amt, wird Samaras seinen populistischen Kurs aufgeben (müssen). Vielleicht wird man ihm auf EU-Ebene kleinere Zugeständnisse machen, die er zu Hause als Erfolg verkaufen kann. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass der Konsolidierungskurs auch nach einem Regierungswechsel im Wesentlichen fortgesetzt werden könnte.

Auch wenn die Befragung des Volkes also nicht im Desaster enden muss, zeigen die aktuellen Entwicklungen doch eines: Die Krise ist noch längst nicht ausgestanden. Auch die Staats- und Regierungschefs in den anderen europäischen Ländern müssen sich früher oder später der Wiederwahl stellen. Garantien, dass niemand einen populistischen Zickzackkurs fährt, gibt es nicht. Und schert erst einmal ein größeres EU-Land aus, könnte der Halloween-Grusel tatsächlich Realität werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)