Erwiderung auf einen Kommentar von Eric Frey - unter dem Eindruck der Botschaft des griechischen Premiers, das beim Eurogipfel beschlossene Rettungspaket für Hellas einer Volksabstimmung unterziehen zu wollen.

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Der vergangene Eurogipfel hat wichtige Schritte zur langfristigen Stabilisierung der Eurozone und damit zur Sicherung unseres Wohlstands, unserer Arbeitsplätze und der sozialen Sicherheit gesetzt. Die Diskussion über die zukünftige Architektur der Eurozone steht jedoch erst am Anfang. Eine entscheidende Frage wird dabei sein, wie es gelingen kann, die neuen Mechanismen mit ausreichender demokratischer Legitimation zu versehen. Ohne eine solche - davon bin ich überzeugt - wäre der Anfang vom Ende des europäischen Projekts besiegelt, da dieses auf Dauer nicht ohne Rückhalt in der Bevölkerung bestehen kann.

Eric Frey hat in seinem Kommentar vom 29. 10. die nationalen Parlamente als Hindernis für die Krisenbewältigung dargestellt. Was er dabei zu vergessen scheint, ist, dass nicht der deutsche Bundestag, sondern die anfangs zögerliche Politik der deutschen Bundeskanzlerin und ihr Schielen auf parallel stattfindende Landtagswahlen in deutschen Bundesländern und die unterschiedlichen Interessenlagen zwischen ihr und dem französischen Staatspräsidenten für das anfangs schleppende Krisenmanagement verantwortlich waren.

Joschka Fischer hat demgegenüber an dieser Stelle in derselben Ausgabe des Standard klargemacht, dass weder EU-Kommission noch Europäisches Parlament für eine demokratische Legitimation im notwendigen Ausmaß sorgen können. Es wird wohl kaum verwundern, dass ich in diesem Punkt Joschka Fischers Position für zutreffend halte. Zum einen haben Kommission und Europäisches Parlament in den vergangenen Wochen und Monaten de facto bei den entscheidenden Fragen der Krisenbewältigung kaum eine Rolle gespielt. Zum anderen muss, wenn nunmehr zur Diskussion steht, die derzeitigen Strukturprobleme der Eurozone durch eine stärkere Zentralisierung im Bereich der Budget- und Finanzpolitik zu lösen, der Rolle der nationalen Parlamente entscheidende Bedeutung zukommen. Die Budgethoheit der Parlamente hat sicherzustellen, dass die von der Bevölkerung des jeweiligen Staates geleisteten Steuern auch im Sinne der Bevölkerung verwendet werden. Die direkte Verbindung zwischen Bevölkerung und Budgetpolitik so zu lösen, indem Entscheidungsbefugnisse tendenziell immer mehr an Regierungen beziehungsweise neue nicht ausreichend demokratisch legitimierte Gremien übertragen werden, stößt in der europäischen Bevölkerung auf wachsende Ablehnung. Zu Recht: Denn Diskurs und Öffentlichkeit müssen auch in Zukunft unentbehrliche Elemente einer modernen Demokratie bleiben.

Gegen "Sachzwang-Rhetorik"

Daher müssen Mechanismen gefunden werden, die der derzeitigen Verfasstheit der Europäischen Union als Zusammenschluss souveräner Staaten Rechnung tragen. Es wird auch weiterhin Aufgabe der nationalen Parlamente bleiben müssen, die Entscheidungen auf europäischer Ebene demokratisch zu legitimieren und bei grundlegenden Entscheidungen sicherzustellen, dass die Bevölkerung direkte Mitsprachemöglichkeiten erhält.

Auch wenn es Abläufe weiter komplizieren, muss es im besonderen Falle Griechenlands dem griechischen Parlament vorbehalten bleiben, in einer dramatischen Situation wie dieser - mit weitreichenden Folgewirkungen für die Bevölkerung - eine Volksabstimmung in Erwägung zu ziehen.

In der aktuellen Diskussion gilt es aus meiner Sicht, der Sachzwang-Rhetorik der Finanzmarktjongleure entgegenzutreten, der zufolge die Einbeziehung der Parlamente die Krisenbewältigung verhindern würde. Eine solche Behauptung ist in ihrem Kern demokratiefeindlich und führt in der Konsequenz dazu, dass zunehmend einige wenige Entscheidungen mit Verbindlichkeit für alle treffen. Berechtigt ist allerdings die Frage, ob die nationalen Parlamente ausreichend auf die neuen Herausforderungen vorbereitet sind. Denn wer für sich beansprucht, Entscheidungen zu treffen, muss sich auch der Verantwortung bewusst sein, die diese mit sich bringen.

Am Euroschutzschirm lässt sich dies besonders gut verdeutlichen: Während der derzeitige Euroschutzschirm EFSF über Garantien arbeitet und so tatsächliche Zahlungen Österreichs weiterhin der parlamentarischen Genehmigung bedürften, wird mit der für 2013 geplanten Errichtung des - dauerhaften - Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) die Möglichkeit geschaffen, dass die österreichische Finanzministerin im Einklang mit ihren europäischen Amtskollegen finanzielle Verpflichtungen für Österreich eingeht. In diesem Punkt wird die parlamentarische Mitwirkung analog zur bestehenden parlamentarischen Mitwirkung in EU-Angelegenheiten zu regeln sein. Im Bewusstsein, dass Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone unter Umständen sehr rasche und komplexe Entscheidungen erfordern, wird es durchaus möglich sein, dafür praktikable Verfahren zu finden.

Lösungen für die aktuellen Probleme der Eurozone liegen im ureigenen Interesse Österreichs, da unser Wohlstand zu wesentlichen Teilen von unserer Integration in Europa abhängig ist. Es muss daher auch niemand Angst vor der Einbindung des Parlaments in europäische Entscheidungsprozesse haben. Der dadurch erzielbare Vorsprung an demokratischer Stabilität rechtfertigt allemal einige Tage Verzögerung in den Entscheidungsprozessen. Denn schlussendlich werden Maßnahmen, die keinen Rückhalt in der Bevölkerung haben, nicht bestehen und nur dazu führen, dass die europäische Einigung - mit allen damit verbundenen Konsequenzen - scheitert. (Josef Cap, DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)