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Ai Weiwei Ende Juni vor seiner Pekinger Wohnung nach der Freilassung gegen Kaution: Interviewverbot und andere Auflagen.

Foto: dapd

Peking - Pekings Steuerbehörde hat gegen den weltbekannten oppositionellen Konzeptkünstler Ai Weiwei ein drakonisches Bußgeld von mindestens 15 Millionen Yuan (1,8 Mio. Euro) verhängt. Der Bescheid wegen Steuerbetrugs erging gegen die von Ehefrau Lu Qing geführte Künstleragentur Fake, die Ai Weiweis Werk vermarktet. Er wurde dem Pekinger Künstler Dienstagfrüh in seinem Atelier in Cao Changdi zugestellt.

Der als Bürgeranwalt engagierte Ai Weiwei war am 3. April von der Polizei verschleppt und in Isolationshaft genommen worden. Erst nach seiner Festnahme unternahmen Polizei und Steuerbehörde eine Hausdurchsuchung in seinem Atelier. Weltweite Proteste zwangen die Behörden, den 54-jährigen Künstler nach 81 Tagen gegen Kaution freizulassen. Er wurde unter der Bedingung nach Hause entlassen, dass er keine Interviews gibt, nicht über seine Haft redet und Peking nicht verlässt.

Anwalt Pu Zhijiang von der Pekinger Kanzlei Huayi , die die Verteidigung von Lu Qing gegen Vorwürfe des Steuerbetrugs übernommen hat, zeigte sich entsetzt über die Höhe des Strafbescheids. "Wir sind gerade dabei, die einzelnen Positionen zu prüfen. Die Endsumme könnte noch etwas höher sein" , sagte der Anwalt dem Standard. Der Strafbescheid müsse innerhalb von 15 Tagen bezahlt werden, egal ob Einspruch eingelegt wird oder nicht.

Das Bußgeld soll sich aus zwölf Mio. Yuan nicht gezahlten Steuern und aus Strafen zusammensetzen, auf die noch eine Extragebühr von 3,19 Mio. Yuan wegen Zahlungsverzugs aufgeschlagen wurde. Pu wiederholte seine Vorwürfe gegen die Steuerbehörde, weil sie keine öffentliche Anhörung angeordnet hatte, wie es bei allen Wirtschaftsstrafsachen, die keine Geschäftsgeheimnisse betreffen, vorgeschrieben ist.

"Schamlose Schurken"

Offiziell darf sich der auf Kaution entlassene Künstler Ai Weiwei nicht gegenüber Journalisten äußern. Indirekt kommentierte Ai am Dienstag über mehrere seiner Mikroblogs das drastische Bußgeld. Um 9.41 Uhr schreibt er: "Steuerbescheid gerade eingetroffen. Haha, 15 Mio. Verrückt." Als darauf Dutzende andere Mikroblogger schreiben, dass das so viel ist, wie sonst nur internationale Konzerne zahlen, twittert Ai um 9.50 Uhr: "15 Mio., das ist der Jahresgewinn der Zhongtie-Eisenbahn." Weitere 40 Minuten später kommentiert er lakonisch die Bemerkung eines Freundes ("Straßenräuber"): "Ich habe Achtung vor Straßenräubern, aber nicht vor schamlosen Schurken." (erl/DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2011)