Vom "Antidepressivum" zum kritisierten Politiker: der Katalane Mas-Collel.

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Wenn ein Spanier einmal den Wirtschaftsnobelpreis erhalten sollte, dann er: Andreu Mas-Colell. Da sind sich zumindest die spanischen Medien sicher. Der 67-jährige Katalane gilt in der Tat als einer der bedeutendsten Wirtschaftsmathematiker weltweit, insbesondere wegen seiner Beiträge zur Allgemeinen Gleichgewichtstheorie und zur Mikroökonomie.

Seit Dezember 2010 ist der parteilose Mas-Colell "Conseller" (vergleichbar einem Landesrat) für Wirtschaft und Wissenschaft der neuen Mitte-rechts-Regierung Kataloniens. Dies ist nicht sein erster Ausflug in die Politik, schon zwischen 1999 und 2003 war er "Conseller" in der letzten Regierung des katalanischen Langzeitpräsidenten Jordi Pujol, damals zuständig für Universitäten und Forschung.

Die Medien zeigten sich anfangs begeistert über das "Antidepressivum" Mas-Collel. Gerade vonseiten der katalanischen Universitäten freute man sich über die Bestellung "einer der Unsrigen". Mas-Colell gilt als Vater des katalanischen R&D (Forschung und Entwicklung). Eine moderne Volkswirtschaft ist auf Innovation angewiesen und sollte deshalb kräftig in Forschung investieren, so sein Mantra. Dass er diese Position nicht erst seit dem letzten Wahlkampf vertritt, verleiht ihm Glaubwürdigkeit.

Massive Kürzungen

Freilich: Das Ausmaß der Kürzungen, die der Wissenschaftsbetrieb in Katalonien (wie auch in Spanien insgesamt) derzeit zu verkraften hat, lässt die Lage in Österreich paradiesisch erscheinen. Und so musste ausgerechnet Mas-Colell massive Streichungen von zehn Prozent verkünden und statt auf Investitionen auf "Ressourcenbündelung" pochen. Auf die Vertrauensbekundungen seiner Uni-Kollegen folgten bald massive Kritik und Demonstrationen.

Andreu Mas-Colell verbrachte drei Jahrzehnte seines Wissenschafterlebens in den USA. Dort war er Professor, zunächst im kalifornischen Berkeley und ab 1981 in Harvard. 1996 kehrte er an die Reformuniversität Pompeu Fabra in seiner Heimatstadt Barcelona zurück. 2006 gründete er die mittlerweile recht renommierte Barcelona Graduate School of Economics. Von Juli 2009 bis September 2010 war er Generalsekretär des European Research Council.

Mas-Colell wird gerne als Rationalist beschrieben, sachlich, nüchtern, problemorientiert. Seine Parole angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage Spaniens und Kataloniens: nicht irre machen lassen. Jetzt gelte es, die Krise zu gestalten. Vor allem die vielversprechenden, aber noch zarten Triebe einer jungen Forschungslandschaft dürften nun nicht gestutzt werden. Am 7. November wird er auf Einladung des Wissenschaftsministeriums und des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds WWTF in Wien über seine Erfahrungen und sein Herzensthema sprechen: "Wissenschaft und Innovation in Katalonien". (DER STANDARD, Printausgabe, 02.11.2011)