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Foto: AP/Tsironis

Der griechische Premierminister Giorgios Papandreou ist offenbar am Ende - psychisch, politisch und vor allem parteiintern. Anders ist seine jüngste Volte, über das gerade erst aufgestockte Euro-Hilfspaket für Griechenland eine Volksabstimmung abhalten zu wollen, kaum zu verstehen.

Von Demonstrationen gegen die Spar- und Reformpläne in Athen zermürbt; von einer unverantwortlichen Opposition der Konservativen unter ihrem machtgeilen Chef Antonis Samaras bedrängt, der die Zeichen der Zeit nicht erkennt; und aus den eigenen Reihen der Pasok unter Druck gesetzt, wagt Papandreou den ultimativen Ausbruchsversuch. Geht das ins Auge, dann war Griechenland bald einmal EU-Mitgliedsland.

Nichts gegen direkte Demokratie und Referenden. Diese Instrumente der unmittelbaren Bürgermitbestimmung gehören zu den wichtigsten und feinsten Elementen in einer demokratischen Gesellschaft: wenn sie denn eingeübt, verfassungsmäßig sauber und vernünftig angewandt werden. Beim Vorstoß von Papandreou scheint keine dieser Bedingungen erfüllt. Das letzte Referendum gab es vor fast 40 Jahren.

Weder ist klar, worüber die Griechen eigentlich genau abstimmen sollen (über Sparmaßnahmen, über die Wiedereinführung der Drachme, gar über die EU-Mitgliedschaft des Landes?), noch scheint das irgendwie vorbereitet zu sein. Vielmehr sucht ein schwacher Premier den populistischen Notausgang.

Eine Torheit. Und unverantwortlich seinen eigenen Mitbürgern gegenüber. Will er riskieren, dass das Land zusammenbricht? Denn einen schlechteren Zeitpunkt für solch eine Ankündigung hätte Papandreou nicht finden können. Nach den mühsam zustande gekommen Beschlüssen der Eurostaaten beim Euro/EU-Gipfel vergangene Woche schien von den Märkten endlich Erleichterung einzutreten, nicht nur für die Griechen, sondern auch in der gesamten Eurozone.

Vor allem ginge es jetzt darum, die Beschlüsse erst einmal Wirklichkeit werden zu lassen, sprich, den Schuldennachlass für die Griechen im Detail auszuhandeln, den Transfer von acht Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds nach Athen abzusichern (ohne den das Land sofort pleite wäre).

Das ist ja alles noch nicht auf Schienen. Mit seiner mit den Partnern in Europa unabgesprochen Initiative gefährdet der Premier jetzt aber das gesamte Paket wieder. Wie soll irgendein Investor, irgendeine Regierung Vertrauen in die mit ihm persönlich ausgehandelten Vereinbarungen haben, wenn er damit rechnen muss, dass das alles in ein paar Wochen oder Monaten das Papier nicht wert ist, auf dem es steht?

Nun wird es Mittwochabend in Cannes am Rande des G-20-Gipfels der wichtigsten Industriestaaten der Welt wieder einen Euro/Griechenland-Notgipfel geben. Danke, Herr Papandreou.

Bis vor wenigen Stunden war geplant, dass die Europäer dort die USA, China, Russland, Brasilien oder Indien davon überzeugen wollen, den europäischen Wünschen nach mehr Regulierung der Finanzmärkte, nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer näherzutreten. Das wäre auch unter günstigen Voraussetzungen schon schwer genug, um nicht zu sagen, unmöglich. Wenn einem dann aber ein offenbar ganz auf seine innenpolitischen Probleme fixierter Partner aus Athen auch noch in den Rücken fällt, wird es aussichtslos.

Aber bleiben wir bei der griechischen Innenpolitik. Es gibt einige Anzeichen, dass Papandreou es in Wahrheit gar nicht darauf angesehen hat, als formvollendeter Demokrat dazustehen, der sein Blut-Schweiß-und-Tränen-Programm dem Volk zur Entscheidung in die Hand legen möchte. Vielmehr ist das Ganze darauf angelegt, Zeit zu gewinnen.

Diese Woche muss der Premierminister sein Programm durch das Parlament bringen, in dem seine sozialdemokratische Partei nur eine hauchdünne Mehrheit von drei Stimmen hat. Auch will er dabei die Vertrauensfrage stellen. Er steht dabei unter der Drohung, dass mehrere eigene Abgeordnete beim Sparpaket abspringen, was unweigerlich zum sofortigen Sturz führen würde.

Mit der Ankündigung eines Referendums könnte er Druck wegnehmen durch das Argument, dass am Ende ohnehin alles erst noch von den Bürgern direkt entschieden werden wird. Das dürfte es dem einen oder anderen Pasok-Abgeordneten leichter machen, seine Stimme doch noch einmal zugunsten des beinharten Sparprogramms abzugeben. Papandreou hätte also vor allem einmal Zeit gewonnen.
Die möchte er vor allem dazu nützen, seinen Gegenspieler Samaras, der sich einem nationalen Konsens zur Rettung Griechenlands verweigert, als verantwortungslosen Burschen vorzuführen, dem das Schicksal Griechenlands egal ist.

Apropos Samaras: Hier wäre es angebracht, extra auf die Verantwortung seiner Parteifreunde in Europa hinzuweisen, auf Merkel, Spindelegger, Juncker und Co. Es wäre ein bisschen billig, alle Schuld am Schlamassel den Sozialisten in die Schuhe zu schieben. Die griechischen Konservativen torpedieren die Eurohilfen seit einem Jahr wo sie nur können. Wie läuft das so in der Europäischen Volkspartei, die so stolz ist auf ihre Europapolitik. Gibt es da jemand, der auf Samaras Einfluss hat?

Zurück zu Papandreou: Sein Kalkül könnte rasch scheitern an einer turbulenten Entwicklung in Europa und auf den Märkten. Die Europartner sind jedenfalls langsam mit der Geduld am Ende. Papandreou ist als kühler politischer Pokerspieler bekannt, der vor riskanten Manövern nicht zurückschreckt. Diesmal könnte er sich verspekuliert haben. Sein Finanzminister Evangelos Venizelos, der mächtigste Gegenspieler in der SP Papandreous, scharrt jedenfalls schon in den Startlöchern: Auch er würde nur allzu gern bald Premierminister werden.