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Fusarium unterm Mikroskop: Richtig eingesetzt, entfalten die Schimmelpilze eine Wirkung, die Tumorzellen abtötet.

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Wiener Forscher gehen ihrer vielversprechenden Wirkung auf den Grund.

Normalerweise werden sie nur im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Schäden erwähnt: Schimmelpilzen der Gattung Fusarium eilt nicht der beste Ruf voraus. Die Pilze produzieren diverse Giftstoffe mit unterschiedlicher Wirkung – eine ernsthafte Gesundheitsgefahr für Mensch und Tier.

Die Aufnahme solcher Toxine erfolgt meist über kontaminierte Nahrung. Vor allem Getreide wird oft von Fusarien angegriffen, sowohl auf dem Feld wie auch in Lagerhallen. In den USA verursachen die giftigen Schimmelpilze alleine in Weizen und Gerste schätzungsweise bis zu 500 Millionen Dollar Schaden jährlich. Ein gewaltiges Problem.

Die Wirkung einiger Fusarium-Gifte wie Deoxynivalenol ist bereits eingehend untersucht worden. Sie lösen unter anderem Stoffwechselstörungen und Beeinträchtigungen des Immunsystems aus. Für die Substanzen Beauvericin und Enniatin dagegen ist die Datenlage noch mangelhaft. Auch sie werden von pflanzenschädigenden Fusarium-Arten gebildet, doch es ist noch unklar, welches Gesundheitsrisiko von ihnen ausgeht.

Das Pilzgift erhöht die Konzentrationen von Kalzium- und Natriumionen in den Zellen, was sogar zu deren Aufplatzen führen kann. Auch Enniatin scheint den Zellstoffwechsel durch Beeinträchtigung der Ionenaufnahme zu stören. Enniatin kann in mehreren unterschiedlich toxischen Varianten vorliegen und wurde schon 1947 als potenzielles Antibiotikum entdeckt.

Beide Giftstoffe tauchen immer wieder in Getreideproben auf, manchmal in bedenklich hohen Dosen. Enniatin erreicht zum Beispiel in finnischem Korn Höchstwerte von 18,3 Milligramm pro Kilo, in italienischem Mais wurden sogar Beauvericin-Konzentrationen von 520 Milligramm pro Kilo gemessen.

Solche Mengen machen Experten hellhörig. Ihrer Meinung nach ist es dringend erforderlich, das Gefahrenpotenzial beider Substanzen genauer zu erforschen - zum Schutz der Bevölkerung. Es gibt allerdings noch einen anderen Gesundheitsaspekt. Bereits in den 1990ern beobachteten Wissenschafter, dass Beauvericin auf manche Formen menschlicher Krebszellen eine tödliche Wirkung hat.

Zerstörerische Kraft

Ähnliches entdeckten Forscher der Universität Wien 2006 erstmalig für Enniatin. In ihrer Dissertationsarbeit setzte die Toxikologin Rita Dornetshuber sowohl gesunde menschliche Zellen wie auch Zellkulturen aus verschiedenen Karzinomen, unter anderem Lungen-, Darm- und Brustkrebs, unterschiedlichen Enniatin-Konzentrationen aus und dokumentierte, was passiert. Die Versuche ergaben ein zweiseitiges Bild.

Wenn die Tumorzellen nur kurz, ein bis zwei Stunden, geringen Mengen des Pilzgiftes ausgesetzt werden, hat dies eine wachstumsstimulierende Wirkung. Nach mehr als 24 Stunden jedoch entfaltet Enniatin offenbar seine volle zerstörerische Kraft.

Die Zellen schrumpfen, ihre Chromosome ziehen sich zusammen, die DNA beginnt zu zerfallen. Danach folgt der Zelltod. Gesunde menschliche Zellen zeigten sich dagegen, je nach Typus, relativ resistent bis völlig unempfindlich gegenüber den eingesetzten Enniatin-Mengen. Diese Daten wurden im Fachmagazin Chem Research Toxicology veröffentlicht.

Die für Tumorzellen tödliche Wirkung des Enniatins tritt Dornetshubers Versuchen nach bereits bei sehr geringen Konzentrationen (circa zwei Mikromol pro Liter) auf. Ähnliches gilt laut den Arbeiten anderer Wissenschafter für Beauvericin. Über welchen molekularbiologischen Mechanismus die Pilzgifte Krebszellen zerstören, ist jedoch noch nicht bekannt. Die Schädigung der DNA scheint gleichwohl keine zentrale Rolle zu spielen. Rita Dornetshuber und ihre Kollegen konnten in weiteren Experimenten nachweisen, dass die Erbsubstanz nicht das primäre Angriffsziel von Beauvericin und Enniatin ist.

Gegen resistente Zellen

Das Wiener Expertenteam um Walter Berger von der MedUni Wien und Rosa Lemmens-Gruber von der Uni Wien erforscht zurzeit die antikarzinogenen Eigenschaften der beiden Mykotoxine in ihren Details, der österreichische Forschungsfonds FWF unterstützt das Projekt finanziell. Eine medizinisch besonders interessante Eigenschaft dieser Pilzgifte ist nämlich, dass ihnen die gefürchteten ABC-Transporter anscheinend nichts anhaben können.

"Diese Transporter befinden sich in der Zellmembran und können Chemotherapeutika unter Energieverbrauch aus den Tumorzellen herauspumpen", erklärt Rita Dornetshuber dem Standard. Die Medikamente werden von den Zellen beseitigt, bevor sie ihre Wirkung entfalten können – so entstehen Karzinome, die gegen Chemotherapie resistent sind. Für die betroffenen Patienten meist eine Katastrophe.

Vielleicht können Beauvericin und Enniatin hier zukünftig Abhilfe schaffen. In Laborversuchen gelang es nicht, dauerhaft resistente Krebszellenlinien gegen die Gifte zu züchten. Bis aus Pilzgiften Medikamente entwickelt werden, dürfte es allerdings noch einige Zeit dauern. (DER STANDARD, Printausgabe, 02.11.2011)