Wien - Statistiken zu Folge ist jeder Dritte von einem Eisenmangel betroffen. Bei jedem zweiten Betroffenen ist dieser so ausgeprägt, dass bereits eine Eisenmangelanämie vorliegt. Ein besonders hohes Eisenmangel- und damit auch Anämie-Risiko tragen Frauen im gebärfähigen Alter und in der Schwangerschaft, Vegetarier, Personen fortgeschrittenen Alters, Sportler und Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen.

Obwohl diese Mangelerscheinung so weit verbreitet ist, wurden die negativen Auswirkungen eines Eisenmangels bzw. einer Eisenmangelanämie bislang weit unterschätzt und daher nur selten therapiert. Neueste medizinische Erkenntnisse zeigen nun, wie wichtig eine ausreichende Versorgung mit diesem Spurenelement für eine Vielzahl physiologischer Prozesse im Körper ist. Als CO-Faktor einer Reihe enzymatischer Prozesse und als Komponente eines intakten Immunsystems, kann ein Eisenmangel zu Lebensqualität mindernden Symptomen wie Abgeschlagenheit, Unruhe, Libidoverlust, Haarausfall, Infektanfälligkeit und depressiven Verstimmungen führen.

Symptome, mit denen jeder Allgemeinmediziner in seiner Praxis konfrontiert ist, deren adäquate Therapie allerdings oftmals eine Herausforderung darstellt. „Als Allgemeinmediziner ist es unsere Aufgabe, die Beschwerden unserer PatientInnen zu deuten, einzuordnen und effizient zu behandeln oder an die richtigen Fachkollegen zu überweisen. Insbesondere vor geplanten Operationen, die mit eventuellem starken Blutverlust verbunden sein können, gilt dem Blutbild unsere besondere Aufmerksamkeit", betont Reinhold Glehr, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizinmedizin.

Energetische Sparflamme

In seiner Funktion sorgt das essentielle Spurenelement „Eisen" für den Sauerstofftransport im Blut. Sind die Eisenspeicher des Körpers leer oder können beispielsweise aufgrund einer Entzündung nicht mobilisiert werden, steht nicht genug Eisen bereit um in die roten Blutkörperchen eingebaut zu werden. „Eisenmangel ist ein belastender Zustand für den ganzen Körper. Viele Menschen leben jahrelang mit einem undiagnostizierten Eisenmangel oder sogar einer Anämie ohne sich bewusst zu sein, dass sie auf energetischer Sparflamme leben", so Christoph Gasche, der sich im Zuge seiner Tätigkeit als Gastroenterologe auf die Erforschung, Diagnose und Therapie von Eisenmangelzuständen spezialisiert hat.

Besonders ungünstig wirkt sich ein Eisenmangel bzw. eine Eisenmangelanämie im Vorfeld eines operativen Eingriffes aus, da Blutverluste während der Operation bzw. entzündliche Prozesse danach, mit einem hohen Transfusionsrisiko einhergehen. Bluttransfusionen zählen zu den teuersten Behandlungsformen in der klinischen Praxis. Jede verabreichte Transfusion erhöht patientenseitig das Risiko für längere Liegezeiten im Krankenhaus, Morbidität, Mortalität und Infektanfälligkeit. 

Vor diesem Hintergrund hat sich unter dem Titel „Patient Blood Management" ein individuelles Behandlungskonzept zur Reduktion und Vermeidung von Anämie, Blutverlust und -transfusion etabliert. In der flächendeckenden Umsetzung dieses fächerübergreifenden Qualitäts-Management-Konzeptes schlummert Potential. Hans Gombotz, Leiter der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am AKH Linz, ist Mitentwickler des Konzeptes, das er bereits seit zwei Jahren erfolgreich am AKH Linz umsetzt und meint: „Die Berücksichtigung der Patient Blood Management Strategie bedeutet für alle Beteiligten einen Gewinn. Der Patient muss nicht den Risiken einer Transfusion ausgesetzt werden, das behandelnde Ärzteteam wird nicht durch den Stress der aufwändigen Bereitstellungspraxis belastet und das Krankenhaus spart sich Ausgaben in beträchtlicher Höhe."

Implementierung des Patient Blood Management

Die Prognosen und Trends im Zusammenhang mit Blut- und Blutprodukten, wie die ständig steigenden Kosten für Konserven und das abnehmende Kontingent an Blutspendern, machen die österreichweite Implementierung des Patient Blood Management auch zu einem ökonomischen Anliegen des Gesundheitsministeriums. „Die derzeitige Handhabe der Behandlung mit Blut- und Blutprodukten führt über kurz oder lang zu einer nicht zu bewältigenden Kostenexplosion. In einer Zeit, wo Kosten-Nutzenanalysen zum klinischen Alltag gehören, muss auch Patient Blood Management auf die Agenda der Krankenhäuser", so der internationale Gesundheitsökonom, Axel Hofmann.

„Blutsparend zu operieren ist natürlich Ziel aller Orthopäden. Leider kann es gerade bei älteren Patienten, die sich einer Hüft- oder Knieoperation unterziehen müssen, oft zu unerwarteten Komplikationen kommen, die mit stärkeren Blutungen einhergehen. Die Umsetzung des „Patient Blood Management" Konzeptes ist daher auch ein besonderes Anliegen meiner Fachgruppe. Kein Patient sollte anämisch auf den OP-Tisch kommen. Daher ist es wichtig, breit darüber zu informieren, wie schnell, sicher und einfach eine Eisenmangel- bzw. eine funktionelle Anämie vor elektiven Eingriffen behandelt werden kann." sagt Michael Riedl, Facharzt für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Wien, abschließend.