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Ein Dollar wird wohl nicht reichen, um die europäischen Banken mit Liquidität zu versorgen.

Foto: Reuters

Mit ihrer überraschenden, konzertierten Aktion sorgten die Währungshüter der Eurozone, der USA, Kanadas, Großbritanniens, Japans und der Schweiz am Mittwoch für einen Freudensprung an den Börsen. Was den Finanzmärkten gut bekommt, muss aber nicht immer allen anderen auch schmecken. Volkswirte sind sich jedenfalls nicht einig, ob der Eingriff der Notenbanker in den Geldmarkt ausreicht, um die Krise wenigstens ein bisschen in den Griff zu kriegen.

Worum geht es eigentlich bei der koordinierten Aktion der Notenbanken? Das Quantitative Easing, also der Schritt von Notenbanken auf den Sekundärmarkt für Staatsanleihen, ist hinlänglich bekannt. Die mit dem Kollaps von Lehman Brothers 2008 eingeläutete Finanzkrise drängte zahlreiche Notenbanken zu diesem Schritt. Die nunmehrige Schuldenkrise in Euroland ruft erneut die EZB auf den Plan, die Zentralbank kaufte bis zuletzt massiv Anleihen von strauchelnden Euro-Ländern wie Spanien oder Italien auf. Wie gesagt, bisher nur am Sekundärmarkt, die EZB kauft also keine Anleihen direkt von den Staaten, sondern nur solche, die sich schon am Markt befinden, zum Beispiel im Besitz von Banken oder Fonds.

Das am Mittwoch angekündigte Programm der Notenbanken spielt nun eine weitere Trumpfkarte der Geldpolitik aus: Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) spricht man von „Liquidity Easing", Liquiditätslockerung. Liquidität ist am Bankenmarkt nämlich zu einem Problem geworden. Der Interbankenmarkt funktioniert so gut wie gar nicht mehr, das Vertrauen unter den Banken ist futsch, sie wollen einander nur noch sehr ungern Geld leihen. Bleibt die Zentralbank als Liquiditätshorter und -bereitsteller.

Euro

Braucht eine Bank aber Geld in einer anderen Währung, als der eigenen - Dollar zum Beispiel und nicht Euro, dann bekommt sie das nicht einfach so von der Notenbank. Eigentlich bräuchte eine Bank die Zentralbank auch gar nicht. Will sie Dollar, leiht sie sich die bei einer US-Bank. Wie schon erwähnt, das funktioniert momentan nur mittelprächtig. US-Banken haben weiters in Euro laufende Wertpapiere nicht mehr gerne als Sicherheiten akzeptieren wollen. Zudem ziehen seit geraumer Zeit auch US-Geldmarktfonds großflächig Geld aus Europa ab, weil sie nicht in den Strudel der Euro-Schuldenkrise gelangen wollen. Damit entziehen sie den europäischen Banken wichtige Gelder zur Refinanzierung des US-Geschäfts, erklärt Josef Christl, Ökonom und Ex-Nationalbank-Direktoriumsmitglied gegenüber derStandard.at.

Genau da sprangen nun die sechs großen Notenbanken mit ihrer konzertierten Aktion ein. Sie öffnen Währungstauschverträge (Swaps) auf bilateraler Ebene und senken auch noch den Zinssatz für diese Geschäfte. Mit diesen Swaps können Europas Banken also wieder auf Dollar zugreifen, und zwar über die EZB, so Christl.

Die Tauschgeschäfte sind vorerst zeitlich begrenzt bis Februar 2013 und dienen der Dollarversorgung Europas. Die Beteiligung der insgesamt sechs Notenbanken lässt aber auch offen, dass zum Beispiel kanadische Banken mit Yen versorgt werden könnten, sollte dies notwendig werden.

Christl glaubt nicht, dass mit der koordinierten Aktion längerfristig das Misstrauen in der Finanzbranche behoben werden kann. "Kurzfristig wird sich der Geldmarkt schon entspannen", aber letztlich würden die Banken die Euros wieder bei der EZB deponieren.

Reparatur des Kreditkanals

Bei vielen Ökonomen lässt die Geldschwemme der Notenbanken auch die Angst vor Inflation aufkeimen. So meint Wim Kösters, Vorstand beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, im Deutschlandfunk: "Wenn so viel Liquidität zusätzlich in Umlauf gesetzt wird, dann wird zwar nicht in den nächsten ein, zwei Jahren Inflation ausbrechen, aber danach muss man deutlich damit rechnen." Das Geld der Zentralbanken sei eine weitere Eskalation der Krise.

Und auch der Ruf nach dem direkten Eingreifen der Notenbanken auf den Staatsanleihenmarkt verstummt nicht. Am Markt wird die Gemeinschafts-Aktion der Zentralbanken durchaus auch als Signal gewertet, dass die Notenbanken zwar die letzte Zuflucht für die Bankenwelt seien, aber sicher nicht für Staaten. Ökonom Heiner Flassbeck erstaunt die euphorische Reaktion der Märkte, die Aktion sei ein "absolute Notmaßnahme", die Verzweiflung an den Märkten entsprechend groß.

Am Donnerstag meldet sich dann auch EZB-Chef Mario Draghi zum Thema Staatsanleihenkauf zu Wort. Die EZB könne Schuldenländern nur begrenzt unter die Arme greifen. "Die Regierungen müssen - einzeln und gemeinschaftlich - ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den Finanzmärkten wiederherstellen", sagt Draghi . Auf die gemeinsame Aktion seiner eigenen und der übrigen fünf Notenbanken geht Draghi nicht im Detail ein. "Das Wichtigste für die EZB ist die Reparatur des Kreditkanals, so dass die Realwirtschaft finanziert werden kann", so der Zentralbankchef. (rom, derStandard.at, 1.12.2011)