Der Wirtschaftsabschwung droht. Jüngst noch Hochkonjunktur, soll die Eurozone im nächsten Jahr praktisch stagnieren. Die Arbeit geht den Menschen aber erst einmal nicht aus, viele Unternehmen sind mit Aufträgen bis weit ins nächste Jahr ausgelastet.

Die Wirtschaftsflaute wird wieder vergehen. Sich nicht vom Acker machen wird sich aber die Dauervorstellung "Euro-Krise". Hauptdarsteller sind Europas Spitzenpolitiker, die sich seit drei Jahren schrittweise zu Gemüte führen, dass sie ihrem gemeinsam geschaffenen Projekt Eurozone nicht gerecht werden können.

Führt man eine Währungsunion ohne fiskalische Union ein, dann braucht es gewisse Regeln. Dafür war der Stabilitätspakt vorgesehen. Seine Maastricht-Kriterien, die unter anderem die jährliche Verschuldung auf drei Prozent begrenzen, sind das Fundament eines Euros auf Zeit. Auf Zeit deshalb, weil irgendwann dem Währungssystem auch ein gemeinsames Steuersystem folgen muss. Deutschland und Frankreich, Italien und Portugal aber haben schon das Jahr nach der Euro-Einführung dazu genützt, um auf diese Regeln zu pfeifen. Als Politiker ist man schließlich ein Macher, quasi zu positivem Denken verpflichtet. Das mit dem Euro geht also auch ohne Regeltreue – irgendwie.

"Die Schwächung des Stabilitätspakts ist ein verheerendes Signal an die Finanzmärkte und führt zu starken Kursschwankungen und Instabilität", schrieb 2002 der damalige deutsche Bundesbank-Vizepräsident und spätere EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark in der "Financial Times". In dieser Situation befinden wir uns heute. Doch Stark ging weiter. Letztlich bliebe es den Notenbanken über, zu handeln.

Stark prophezeite also ein Eingreifen der Zentralbanken, da man das Euro-Problem politisch nicht gleich lösen kann. Das ist gestern erstmals geschehen. Die EZB, die US-amerikanische Federal Reserve und die Notenbanken Kanadas, Japans, Großbritanniens und der Schweiz öffneten ihre Geldschleusen für die globalen Finanzmärkte. Durch günstigere Tauschgeschäfte sollen die Banken einander leichter Geld in verschiedenen Währungen leihen können. Das soll nicht nur die amerikanischen Kreditinstitute dazu bewegen, wieder stärker in den Euro zu investieren, sondern auch den Europäern Zugang zu Dollarreserven sichern. Im Ganzen will man verhindern, dass sich die europäischen Banken untereinander, wie jetzt der Fall, kaum Geld leihen und die Kreditversorgung der Realwirtschaft gefährden.

Eine Verzweiflungsaktion. Geld am Markt ist ja ohnehin im Überfluss da, das bestätigen die 300 geparkten Bankmilliarden bei der EZB. Nur wollen die Kreditinstitute angesichts der Politkrise und der düsteren Wirtschaftsprognosen kaum noch Geld locker machen. Das wird ein amerikanischer Marktteilnehmer nicht anders sehen. Man hilft also weiter der Finanzwirtschaft, aber nicht der Realwirtschaft. Und riskiert zudem Inflation.

Geholfen werden kann der Realwirtschaft nur durch ein klares Bekenntnis zum Euro und damit zu einer politischen Union. Oder durch eine Entflechtung in ein Kerneuropa, das so lange bestehen wird, bis die Brennlinse Wettbewerb auch dieses entkernen wird.

Entscheiden muss sich das sehr bald. Führen wir uns die Situation Italiens vor Augen: Im Falle des Falles wird das Land nicht durch Hilfskredite aufgefangen werden. Sollten die Finanzmärkte aber ihr Vertrauen in die Eurozone vollends verlieren, dann würden die Zinsen des Parade-Reibebaums Italien in lichte Höhen steigen. Jede vernünftige italienische Regierung würde dann einen Schuldenschnitt aushandeln, die Lira wieder einführen und diese massiv abwerten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und der Exportwirtschaft unter die Arme zu greifen.

Italien würde dabei einfach dem Zeitgeist der schnellen Paradigmenwechsel folgen. So wie die Anleger einen von heute auf morgen abwerten, wertet Bella Italia seine Zukunft in Euroland auch ab.

Der Finanzwald krankt. Die Anleger, die ihn selbst angelegt haben, blicken nicht mehr durch ihn hindurch. Das bewegt sie zu Läufen durchs Geäst. Die Richtung ist dabei nicht immer klar. Einmal laufen sie in Richtung Gold oder Immobilien, dann wieder in Staatsanleihen. In die solideste Richtung, nämlich in die der Unternehmen, laufen sie zu selten. (derStandard.at, 1.12.2011)