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Elizabeth Warren bei ihrer Ernennung zur Vorsitzende des Senatsausschusses zur Überwachung des staatlichen Bankenrettungsfonds.

Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Elizabeth Warren hat viele Beinamen. Man nennt sie den Sheriff der Wall Street, die Jeanne d'Arc der Mittelklasse, den Messias der Linken. Seit Herbst kämpft die Harvardprofessorin um den Senatssitz im Bundesstaat Massachusetts. Nächstes Jahr muss sie sich gegen den amtierenden Republikaner Scott Brown behaupten. Das Rennen ist kaum von Interesse, gilt Massachusetts doch als sicheres Pflaster für die Demokraten. Es ist das Phänomen Elizabeth Warren, das fasziniert. Eine 62-jährige Juristin und dreifache Großmutter ist das It-Girl der Nation. Den Besetzern der Wall Street gilt sie ideologische Mutter der Bewegung. Sie selbst übernimmt lediglich die Verantwortung für deren intellektuelles Fundament. Rebecca Traister nennt sie in der New York Times nur kryptisch "the next one". Endlich bestehe wieder Hoffnung, für all jene, die Präsident Barack Obama so bitter enttäuscht hat.

Die Finanzkrise machte Warren zum Star. Der Kult um ihre Person geht auf ihre Rolle als Vorsitzende des Senatsausschusses zur Überwachung des staatlichen Bankenrettungsfonds (TARP) zurück. Damals in 2008 wurde sie beauftragt das 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket zur Sanierung der Banken zu beaufsichtigen. In kürzester Zeit verwandelte sie das anfangs chaotische Gremium in ein gefürchtetes Komitee mit ihr als Chefanklägerin. Gelassen, direkt aber nie aggressiv, stellte sie die Befragten vor der ganzen Nation bloß. Vor laufenden Kameras bombardierte sie Demokraten wie Republikaner mit Fragen, die jeder amerikanische Steuerzahler gerne beantwortet hätte. Als legendär gilt jenes Verhör, in der sie US-Finanzminister Timothy Geithner zu Geldern befragt, die aus dem Rettungsfond an den Versicherungsriesen AIG ausgeschüttet wurden. "Wissen Sie was mit dem Geld passiert ist?" will sie wissen. Geithner stottert, verdreht die Augen und sucht nach Entschuldigungen. Warren bohrt unbeirrt weiter bis Geithner entnervt zusammensackt. Eine Ikone war geboren.

In den vergangen Jahren war sie eine gefragte Kommentatorin. Sie ist eine willkommene Abwechslung zu den schrillen Palins und Bachmanns des Landes. Mit der Autorität einer geduldigen Lehrerin erklärt sie uns Schülern die Welt, was es auf sich hat mit den "Titanen der Wall Street" und der Regierung, die versagt hat sie besser zu kontrollieren. Jahrzehntelang hat die Expertin für Insolvenzrecht studiert was den amerikanischen Mittelstand in den Bankrott treibt. Ihr Fazit: Ein zerrüttetes System, das Banken vor Menschen favorisiert.
Sozialistische Klassenkämpferin

Warren war es auch, die Präsident Obama zu einer rigorosen Vebraucherschutzbehörde gedrängt hatte -ihrem Geschenk an die amerikanische Mittelklasse so zusagend. Die Behörde soll Kunden vor Finanzprodukten schützen, ihnen das Kleingedruckte vor Augen führen und zeigen, dass die Zinsen für die Kreditkarte ins Unermessliche hoch schnellen, wenn sie die Karte überziehen oder sich der Zinssatz der Hypothek verdoppelt, wenn sie nicht rechtzeitig zahlen.
Die Banken liefen Sturm gegen die Behörde. Vergebens. Diesen Sommer wurde sie eröffnet. Doch Obama scheute sich Warren zu Direktorin zu nominieren. Zu sehr soll er den Widerstand der Republikaner gefürchtet haben, die Warren für eine Sozialistin halten, die den Klassenkampf schürt. Auch im eigenen Lager hat Warren nicht nur Freunde. Zu direkt, zu unversöhnlich, zu populistisch sei die Professorin, die sich an keine parteipolitische Etikette hält. (Solmaz Khorsand, derStandard.at, 2.12.2011)