Brüssel - EZB-Chef Mario Draghi drängt auf einen Durchbruch beim EU-Reformgipfel im Dezember als Anreiz für größeres Engagement der Zentralbank in der Schuldenkrise. "Ich denke, unsere Währungsunion braucht eine neue Übereinkunft in Fiskalfragen", sagte der Italiener am Donnerstag im Europa-Parlament. Es sei die ureigenste Aufgabe der Euro-Zone, ihre Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten zu stärken. "Weitere Elemente können folgen, aber die Abfolge ist entscheidend", betonte Draghi und ließ offen, welche Aktionen zur Marktstabilisierung ihm vorschweben. Trotz der ausufernden Schuldenkrise haben Frankreich und Spanien zuletzt neue Geldgeber gefunden und Milliarden am Kapitalmarkt eingesammelt.

Auf die Emission reagierten die Anleger am Aktienmarkt erleichtert und auch der Euro zog leicht an. Die gute Nachfrage nach den spanischen Staatstiteln kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zinslast weiterhin immens hoch ist. Für Papiere mit einer Laufzeit bis 2017 musste das Land den Anlegern mit 5,544 Prozent die höchste Rendite für Titel dieser Art seit 14 Jahren bieten.

Trotz der heiklen Lage der Schuldenländer will sich die Zentralbank nicht in die Rolle eines Staatsfinanzierers drängen lassen: "Die EZB kann innerhalb des EU-Vertrags handeln. Daher sollte nichts von ihr verlangt werden, was nicht im Vertrag steht", betonte Draghi. Die EZB hat bereits für mehr als 200 Milliarden Euro Staatsanleihen von Schuldenstaaten - darunter Papiere Spaniens und Italiens - aufgekauft. Sie stützt damit die Märkte, drückt aber de facto auch die Zinslast dieser Staaten. In mehreren Euro-Staaten war jedoch die Forderung laut geworden, die EZB solle ihre Bondkäufe massiv ausweiten und damit als Kreditgeber der letzten Instanz für Staaten einspringen. Genau dies verbietet aber der Maastricht-Vertrag.

Unabhängigkeit unverhandelbar

Draghi machte deutlich, dass sich die Zentralbank nicht in ihre Geldpolitik hineinreden lässt. "Die Unabhängigkeit der EZB ist und bleibt unverhandelbar", sagte Draghi auf deutsch. Das laufende Bondprogramm sei zudem keine Dauerlösung: "Lassen sie es mich klar sagen: Es ist nicht für die Ewigkeit bestimmt, es ist nicht unendlich." Es sei vielmehr Aufgabe der Staaten der Währungsunion und der Euro-Zone, ihre Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten selbst zu stärken.

Große Hoffnungen richtet Draghi dabei auf den EU-Gipfel am 8. und 9. Dezember in Brüssel: Zuvor wollen Frankreich und Deutschland Vorschläge zu geplanten Änderungen der EU-Verträge vorlegen, die in einer gemeinsamen Position münden sollen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollte noch am Abend in einer Grundsatzrede seine Vorstellungen von einer tieferen politischen Integration Europas vorstellen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel bietet sich am Freitag im Bundestag ein Forum, ihre Sicht darzulegen. Vor allem Deutschland will EU-Haushaltssünder stärker zur Rechenschaft ziehen. Nach deutscher Ansicht ist für härtere Sanktionen eine Änderung der EU-Verträge nötig. Diese sollen europäische Eingriffsrechte in nationale Haushalte notorischer Defizitsünder festschreiben und damit die klare Richtung zu einer Fiskalunion in der Euro-Zone vorgeben. Polens Ministerpräsident Donald Tusk, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, unterstützt ausdrücklich Überlegungen zu Vertragsveränderungen.

Planungsspiele der Kommission

Planspiele der EU-Kommission, die Optionen für gemeinsame Anleihen der Euroländer vorgelegt hat, treffen in Deutschland hingegen auf erbitterten Widerstand. Das deutsche Nein zu Euro-Bonds ist nach den Worten von Wirtschaftsminister Philipp Rösler nicht verhandelbar. Diese gemeinsame Position hätten die drei Vorsitzenden der Koalitionsparteien, CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und er am Donnerstagmorgen in einer Telefonkonferenz noch einmal bestätigt, sagte der FDP-Vorsitzende. Sie seien sich einig, dass über eine Änderung der europäischen Verträge eine Stabilitätsunion in der Euro-Zone errichtet werden solle. Einigkeit herrsche auch darin, "dass wir nicht bereit sind, diese Vertragsänderung einzukaufen gegen Regeln, wie sie andere europäische Staaten wünschen, zum Beispiel Euro-Bonds".

Die Uneinigkeit der Länder der Euro-Zone wird in Großbritannien mit großem Unbehagen gesehen: Für Notenbankpräsident Mervyn King steht der Fortbestand der Währungsunion auf tönernen Füßen. Er hat bereits Notfallpläne für ein Scheitern in der Schublade, wie er auf einer Pressekonferenz bekannte: "Möglicherweise wird sie nicht auseinanderbrechen, vielleicht aber in verschiedenen Formen weiterbestehen. Wir wissen es nicht." (Reuters)