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STANDARD: Ist Slowenien in einer Notlage?

Mencinger: In einer politischen Krise, aber in keiner Notlage. Das kann allerdings noch werden - wenn die Rating-Agenturen es wahr werden lassen.

STANDARD: Slowenien war Vorbild für Transformation. Was ist da falsch gelaufen?

Mencinger: Von 2005 bis 2008, in der Zockerphase, sind die Nettoauslandsschulden von null auf zehn Milliarden Euro gestiegen. Alle glaubten an Renditen von 30 Prozent. Die Leute kauften Aktien und Wertpapiere, im In- und Ausland. Um virtuellen Reichtum zu schaffen, liehen die Banken sich Geld im Ausland. Als dann die Krise kam, war der virtuelle Reichtum weg. Was blieb, waren Schulden.

STANDARD: Selbst ganz einfache Maßnahmen stellten sich als nicht machbar heraus. Oder gibt es einen vernünftigen Grund, das Rentenalter nicht auf 65 Jahre anzuheben?

Mencinger: Nein. Die meisten Leute wussten gar nicht, worum es ging und haben nur gegen die Regierung gestimmt. Die Opposition nützte die Gelegenheit, und die Gewerkschaften konnten zeigen, dass ohne sie nichts geht.

STANDARD: Im Vordergrund stehen kleinliche Konflikte, scheint es.

Mencinger: Stimmt. Das Schlimmste ist die Atmosphäre im Land. Was immer man sagt oder tut, sofort regt sich auf der anderen Seite und bei den Medien Feindseligkeit. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2011)

Joze Mencinger (70) gilt als bedeutendster Wirtschaftswissenschafter Sloweniens. 1990/91 war er Vizepremier und Wirtschaftsminister.