Wien - Der Wiener Anwalt Alexander Scheer bemühte "den Stammtisch", um auf Risiken hinzuweisen, die empörten Bürgern im Fall eines Inkrafttretens der geplanten Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz seines Erachtens drohen: "Wer im Wirtshaus künftig: 'Der Bundeskanzler muss weg!' brüllt, könnte unter Beobachtung des Verfassungsschutzes kommen", illustrierte er mögliche Folgen einer Ausweitung der Gefahrenerforschung auf Einzelne.

Während Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt an bereits geschehene "Sündenfälle" erinnerte, um anklingen zu lassen, was noch mehr exekutive Überwachungsmacht bedingen könne: Im Tierschützerverfahren zum Beispiel habe es "sehr lang gebraucht", um aufzudecken, "was schief gelaufen ist" - etwa, dass jahrelang eine verdeckte Ermittlerin der Polizei eingesetzt war, deren Existenz in den Akten jedoch nur am Rand erwähnt wurde.

Scheer war vom BZÖ, Patzelt von den Grünen als Experte für die Zwei-Stunden-Anhörung am Donnerstag im parlamentarischen Innenausschuss nominiert. Wie die von der FPÖ eingeladene Vizepräsidentin der Wiener Rechtsanwaltskammer, Elisabeth Rech, übten sie Kritik an dem Entwurf.

Der von der ÖVP angefragte Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, verteidigte den Gesetzesplan hingegen. Ebenso die von der SPÖ geschickte Beate Stolzlechner-Hanifle, stellvertretende Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium: Verweise im Gesetzestext würden klarstellen, dass Stammtisch-Schimpfer erst Hochverrat und Ähnliches planen müssten, bevor eine Überwachung - etwa durch Peilsender - starte, sagte sie.

Albert Steinhauser (Grüne) und Peter Westenthaler (BZÖ) fanden es "bemerkenswert" bis "entlarvend", dass sich just der Polizeivertreter und die Rechtsschutzbeauftragte in ihrer Zustimmung zum neuen Gesetz einig waren. "Ein im Innenministerium selbst angesiedeltes Organ wie der Rechtsschutzbeauftragte kann Überprüfung von außen, etwa durch einen Richter, nicht ersetzen", ergänzte Patzelt.

Richterkontrolle denkbar

Und horchte dann bei Verfassungsschützer Gridlings zweiter Wortmeldung auf: "Wir sperren uns nicht gegen mehr Rechtsschutz", sagte dieser. Auch richterliche Überprüfung sei denkbar, "wenn das der Gewaltenteilung entspricht", wiederholte er später im Standard-Gespräch.

"Um Richter zu Kontrolleuren der Polizei zu machen, bräuchte es eine Verfassungsänderung", erläutert Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Sein Vorschlag, statt dessen: "Die Polizei soll verpflichtet sein, Betroffenen im Nachhinein mitzuteilen, dass sie überwacht wurden. Das können diese dann einklagen." Das Sicherheitspolizeigesetz soll am 29. Februar beschlossen werden. (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2011)