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Premier Najib Mikati.

Foto: EPA/WAEL HAMZEH

Beirut/Wien - Der libanesische Premier Najib Mikati hat am Mittwoch mit einer Überweisung in letzter Minute zwei Krisen abgewendet, die seinem Land drohten: eine Auseinandersetzung mit dem Uno-Sicherheitsrat und den Zusammenbruch der Regierung.

Der Libanon war bereits länger die jährliche Rate schuldig, mit der sich das Land an der Finanzierung des STL - des von der Uno eingesetzten "Special Tribunal for Lebanon" zur Untersuchung des Mordes an Expremier Rafik al-Hariri 2005 - beteiligt. Diese Zahlung, zu der der Libanon laut Sicherheitsresolutionen verpflichtet ist, hatte die schiitische Hisbollah, von der die Regierung Mikati abhängig ist, blockiert - weil das STL vier Hisbollah-Mitglieder für den Hariri-Mord angeklagt hat.

Mikati drohte mit dem Rücktritt, sollte der Libanon nicht seine internationalen Verpflichtungen erfüllen und die fälligen 3,6 Millionen US-Dollar zahlen. Am Mittwoch ließ er das Geld überraschend überweisen - und zwar von einem Katastrophen-Hilfsfonds, der unter Kontrolle des Büros des libanesischen Premiers steht.

Es war am Donnerstag nicht ganz klar, inwieweit die Hisbollah in die Entscheidung eingebunden war. Mikati sagte nämlich laut Daily Star kryptisch, er rechne damit, dass "auch die Hisbollah diesen Schritt verstehen würde" .

Wenn die Hisbollah eine Konstruktion abgenickt hat, mit der die Zahlung doch noch möglich wurde, ist das wohl nicht zuletzt der Situation in Syrien zu verdanken. Niemand im Libanon, auch die Hisbollah nicht, kann Interesse daran haben, dass das ehemalige Bürgerkriegsland, das für konfessionelle Konflikte - wie sie sich in Syrien abzeichnen - besonders anfällig ist, ruderlos dasteht.

Und auch Syrien selbst mag der verbündeten Hisbollah zur Kooperation geraten haben: Für Damaskus ist es auf alle Fälle günstiger, in Beirut eine Hisbollah-abhängige Regierung zu haben als gar keine oder eine syrienfeindliche. Der Libanon ist bei den Auseinandersetzungen Syriens mit der Arabischen Liga stets auf der syrischen Seite geblieben.

Die Opposition, die Allianz des 14. März unter der Führung des Sohns des ermordeten Rafiq al-Hariri, Saad al-Hariri, bemängelte am Donnerstag zwar, dass das Geld für das STL quasi "durchgeschmuggelt" wurde, stellt jedoch gleichzeitig fest, dass damit auch die Hisbollah das STL anerkannt habe. Die Hisbollah hat die Anschuldigungen des Tribunals stets zurückgewiesen und von Mikati gefordert, dass er im Gegenzug für die finanzielle Leistung zumindest offiziell kundtun solle, dass der Libanon die Beweislage gegen die Hisbollah nicht akzeptiere. Das hat Mikati jedoch verweigert.

Der Libanon lässt jedoch weiter die vier STL-Angeklagten ungeschoren, ihr Aufenthaltsort sei unbekannt, heißt es von den Behören. Die STL-Kontroverse ist jedenfalls noch lange nicht vom Tisch.

Am STL-Streit war auch schon die Vorgängerregierung gescheitert: Die Hisbollah und ihre Verbündeten stürzten im Jänner dieses Jahres die Regierung der Nationalen Einheit von Saad al-Hariri, des Wahlsiegers von 2009, weil dieser sich weigerte, die Zusammenarbeit mit dem Tribunal abzubrechen. Nach einem Seitenwechsel des Drusenführers Walid Jumblat von der 14.März-Allianz Hariris zur 8.März-Allianz der Hisbollah wurde Letztere zur stärksten Kraft im Parlament und konnte die Regierung unter dem Sunniten Mikati bilden. (DER STANDARD Printausgabe, 2.12.2011)