Hamburg - Danach sollte nichts mehr so sein wie zuvor. Vor 650 Jahren fegte eine gewaltige Sturmflut über die Nordseeküste, über die Außenlande vor dem Festland, über die Köge und die eingedeichten Marschgebiete. Große Teile fruchtbaren Landes zwischen Sylt und Eiderstedt in Nordfriesland gingen damals buchstäblich unter. Aus zusammenhängenden Landteilen wurden verstreute Inseln und erste Halligen. Am 16. Jänner 1362 veränderte die "Erste Grote Mandränke" - die "Erste Große Manntränke" - den Küstenverlauf der Nordsee im heutigen Schleswig-Holstein für immer.

"Diese Flut ist eine der großen Katastrophen des mittelalterlichen Europas, die besonders in Nordfriesland zu großen Verlusten an besiedeltem Land und an Menschen geführt hat", sagte der Flensburger Historiker Thomas Steensen. 100.000 Menschen sollen umgekommen sein - in den Tiefen des "Blanken Hans'", hieß es einst. Inzwischen liegen die Schätzungen bei etwa 10.000 Toten. In Relation zur Deichhöhe - anders als heute betrug sie im 14. Jahrhundert nur etwa 2,50 Meter - sei die "Mandränke" die schwerste Flut gewesen, die Schleswig-Holsteins Nordseeküste je traf. Der Höhepunkt war am 16. Jänner erreicht. Insgesamt wüteten die Stürme drei Tage lang.

Mehrere Faktoren zusammen

Gleich mehrere Faktoren kamen damals zusammen. Zwölf Jahre vor der Sturmflut war die Pest durchs Land gezogen. Die Vernachlässigung der Deiche wegen des Bevölkerungsverlustes in der Pestzeit war noch nicht aufgeholt. Zudem habe es zu Beginn des 14. Jahrhunderts gravierende Klimaveränderungen gegeben: Zuerst Trockenheit, dann Dauerregen für ein ganzes Jahr, wieder Trockenheit. Das Vieh starb, strenge Winter, Stürme und Hungersnöte - nur jeder Vierte soll die Pest überlebt haben. Zu diesem Unglück kam auch noch Pech hinzu: Die passende Windrichtung zur passenden Zeit - das Wasser ist glatt über die Deiche gegangen. Ein Extremereignis.

50 Jahre lang kämpften die Nordfriesen nach der Flut ums langfristige Überleben. Die fruchtbaren Marschlande waren vernichtet, das Vieh ertrunken, das gesamte Deichwesen lag brach. Trotzdem forderte der dänische König Abgaben. Die Bevölkerung konnten sich nicht dagegen wehren, da ihnen die Männer zum Kämpfen fehlten.

Küste

Das Aussehen der Küste veränderte sich dauerhaft. Etwa 50 Prozent mehr als die heutigen "Utlande" umfasste das Gebiet vor 1362, schätzt Panten. Die gravierendste Veränderung zeige sich bei der heutigen Insel Pellworm: Das gesamte Meeresgebiet zwischen Pellworm und Nordstrand war einst Land. Auch die Stadt Rungholt, eine Art Atlantis des Nordens, das aber tatsächlich existierte, ging unter.

"Profiteur" der Verluste war hingegen Husum. Die Flut habe einen Zugang von der offenen Nordsee zur Südwestecke des Festlands geöffnet. Dort wuchs in wenigen Jahrzehnten der größte Ort Nordfrieslands heran, die heutige Kreisstadt Husum. Ohne die Katastrophe wäre das nicht der Fall gewesen.

Die Region wurde allerdings auch nach dem Ereignis von 1362 immer wieder von Sturmfluten heimgesucht, so auch von der "Zweiten Großen Manntränke" im Oktober 1634, zuletzt am 16./17. Februar 1962, als Hamburg getroffen wurde. 100.000 Menschen waren damals von den Fluten zeitweise eingeschlossen. Es gab 317 Todesopfer. Der spätere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt war damals Innensenator der Hansestadt und erwarb sich einen Ruf als Krisenmanager. (APA/red)