Kairo/Beirut - Syriens bisher zutiefst zerstrittene Opposition bereitet sich jetzt gemeinsam auf die Zeit nach dem Sturz von Präsident Bashar al-Assad vor. Wie am Wochenende bekannt wurde, vereinbarten die beiden führenden Gruppen Leitlinien für eine demokratische Zukunft ihres Landes. Unterdessen gab es Verwirrung über Berichte über angebliche Heckenschützen.

Unter den Beobachtern der Arabischen Liga in Syrien gibt es offenbar Meinungsverschiedenheiten über den Einsatz von Heckenschützen der Regierung in der südlichen Stadt Daraa. Der Leiter der Beobachtermission wies Angaben zurück, eines seiner Teammitglieder habe die Präsenz von Heckenschützen bestätigt.

Heckenschützen im Konjunktiv

Der die Mission leitende sudanesische General Mohammed Ahmed Mustafa al-Dabi sagte gegenüber dem britischen Sender BBC, ein in einem Video zu sehender Mann mit einer Weste der Liga habe über die Präsenz von Heckenschützen nur im Konjunktiv gesprochen. Der Mann habe gesagt, wenn er Heckenschützen selbst sähe, würde er das umgehend melden.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London hatte zuvor ein auf Freitag datiertes Video veröffentlicht, in dem ein Mann mit orangener Weste zu einer Menschenmenge in Daraa sagt: "Es gibt Heckenschützen, wir haben sie mit unseren eigenen Augen gesehen. Wir fordern die Behörden auf, sie sofort abzuziehen. Wenn sie sie nicht binnen 24 Stunden abziehen, wird es andere Maßnahmen geben." Der namentlich nicht genannte Mann fügt in dem Video hinzu: "Andernfalls wären wir umsonst hierhergekommen."

General al-Dabi, der Chef der Beobachtermission, ist umstritten. Er war früher ranghoher Mitarbeiter des militärischen Geheimdiensts im Sudan und gilt als Vertrauter des wegen Kriegsverbrechen in Darfur vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir.

Das Vernetzen der Opposition

Die syrische Opposition schloss derweil eine Vereinbarung über die Zeit nach Assad. Die beiden führenden Gruppen, der syrische Nationalrat (SNC) und das Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC), planen derweil schon für die Übergangsphase nach der Entmachtung Assads. Sie einigten sich auf ein in Kairo unterzeichnetes und im Internet veröffentlichtes Dokument, das unter anderem die "Gründung eines bürgerlich-demokratischen Staates" vorsieht. Das Dokument äußert Unterstützung für die aus Deserteuren gebildete sogenannte Freie Syrische Armee, die gegen Assads Truppen kämpft. Eine ausländische Militärintervention zum Schutz der Zivilbevölkerung wird jedoch abgelehnt.

Die Regimegegner hatten sich in der Vergangenheit über grundlegende Fragen nicht einigen können. So glaubte das in Syrien gegründete Koordinationskomitee lange Zeit noch an einen Dialog mit dem Präsidenten. Der aus dem Exil in Istanbul heraus agierende Nationalrat setzte hingegen auf den Sturz Assads - notfalls auch mit ausländischer Hilfe. Der Aufstand gegen den Machthaber hat nach UNO-Schätzungen seit März mehr als 5.000 Menschen das Leben gekostet.

Nahe der Hauptstadt Damaskus kam es nach Angaben von Oppositionellen am Sonntag zu Gefechten zwischen Regierungstruppen und Deserteuren aus der Armee. Laut Aktivisten brachen die Kämpfe aus, als das Militär die Gegend nach den abtrünnigen Soldaten absuchte. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Erneut kam es im Umland von Damaskus zu Protesten. Regimegegner wünschten Assad ein "trostloses neues Jahr", wie Aktivisten berichteten.

Die syrischen Staatsmedien berichteten, Beobachter der Arabischen Liga hätten sich am Neujahrstag in den Städten Homs, Idleb, Daraa und in der Nähe von Damaskus aufgehalten. Seit Montag vergangener Woche befindet sich eine erste Gruppe von 50 Beobachtern der Arabischen Liga in Syrien. Ihre Entsendung ist Teil eines Plans zur Beendigung des Blutvergießens, der außer dem Rückzug der Armee aus syrischen Städten die Freilassung von Gefangenen vorsieht.

Assad ist seit Mitte März mit einer Welle des Protests konfrontiert. Bei der Unterdrückung der Revolte wurden nach UNO-Schätzungen mehr als 5.000 Menschen getötet. Die syrische Führung macht "bewaffnete Banden" für die Gewalt verantwortlich und spricht von 2.000 getöteten Sicherheitskräften. (APA)