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Schlierenzauer, Überflieger auch zu Neujahr, will die dritte Tournee-Halbzeitführung zu seinem ersten Gesamtsieg nützen.

Foto: dapd/Lein

Dem von Werner, dem Bus-Chauffeur der Österreicher, abgebrannten Feuerwerk hatte Gregor Schlierenzauer nur im Hotelzimmer gelauscht. Der Absprung ins neue Jahr gelang ihm dann perfekt. Der noch 21-Jährige gewann zwei Tage nach der haarigen Auftaktkonkurrenz in Oberstdorf auch das problemlos aufgeführte Neujahrsspringen auf der Garmischer Olympiaschanze vor seinem Landsmann Andreas Kofler. Zu einem neuerlichen Dreifachsieg der Österreicher reichte es nicht, weil Thomas Morgenstern im zweiten Durchgang von Platz drei auf Rang sechs zurückfiel.

"Wenn ich ehrlich bin"

Schlierenzauer nannte Neujahr "einen Supertag für mich, denn wenn ich ehrlich bin, hatte ich nicht die besten Sprünge". Nach dem ersten Versuch, als er noch nicht wissen konnte, dass seine 138,5 Meter die kommode Halbzweitführung vor der deutschen Hoffnung Severin Freund und Morgenstern bedeuten würden, hatte er leichte Nervosität eingestanden. "Aber jetzt bin ich ganz locker und kann wieder einen obiklopfen."

Er tat schließlich gut daran, es nicht zu tun, denn die Topleute hatten in der Entscheidung recht gute Verhältnisse und die Jury den Mut, den vom Schweizer Simon Ammann seit 2010 gehaltenen Schanzenrekord (143,5 m) attackieren zu lassen.

Das versuchte zunächst Kofler, der nach Rang zehn zur Halbzeit Aufholbedarf hatte. Der Reihe nach scheiterten die Konkurrenten an den mustergültig geflogenen und perfekt gestandenen 137,5 Metern des 27-Jährigen, selbst die starken Japaner Daiki Ito (141,5) und Taku Takeuchi (140), die dann die Ränge drei bzw. vier belegten.

Während sich Kofler über seinen Satz freute – "Gott sei Dank habe ich noch etwas draufgepackt, jetzt habe ich zweimal kein Glück gehabt, aber es kann sich ja noch umdrehen" -, wurde eine Verkürzung erwogen. Da es aber bei der einmal gewählten Anlauflänge blieb, begnügte sich Schlierenzauer mit einem Sicherheitssprung auf 134 Meter, der völlig ausreichte, um Kofler (um 4,1 Punkte) in die Schranken zu weisen. "Gregor hat klug gehandelt, weil ein Wahnsinnssprung auch gefährlich hätte sein können", lobte Coach Alexander Pointner seinen Vorflieger, der nach seinem 38. Weltcupsieg, dem dritten in einem Neujahrsspringen nach 2008 und 2010 und also dem siebenten Einzelsieg bei der Vierschanzentournee, dem Ziel, selbige im sechsten Versuch erstmals zu gewinnen, schon recht nahe ist. 22,2 Punkte hat Schlierenzauer vor beider Heimspiel am Mittwoch dem Verfolger Kofler schon abgenommen, der beim SV Innsbruck-Bergisel in Markus Maurberger denselben Individualtrainer hat. 25,5 Zähler fehlen Ito, der sich gegen die Österreicher keine echte Chance gibt, 25,6 Titelverteidiger Morgenstern.

Aus Erfahrung klug

Eine Ausgangslage, die Schlierenzauer begreiflicherweise mit Vorsicht genießt, scheiterte er doch bereits zweimal nach Halbzeitführungen am ganzen Triumph – 2007 bei seinem Debüt am Norweger Anders Jacobsen, 2008 am Finnen Janne Ahonen.

Weshalb er auch getreu seinem wolkigen Motto, stets "bei sich zu bleiben", offiziell keinen Gedanken an jene Million Schweizer Franken (820.000 Euro) verschwendet, die die Tourneeorganisation für jenen ausgelobt hat, der zehn Jahre nach dem Deutschen Sven Hannawald als Zweiter alle vier Springen en suite gewinnt. "Die geht mir nicht im Kopf herum, sie wäre ja nur das i-Tüpfelchen." Dass sich die Tourneemacher gegen den, nun ja, Schadensfall versichert haben, wusste Schlierenzauer aber schon: "Das war ziemlich clever." (DER STANDARD, Printausgabe – 2.1. 2012)