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Elmar Brok, EU-Abgeordneter und deutscher Christdemokrat

Foto: EPA/HERWIG VERGULT

Ein zwischenstaatliches Abkommen zur Verschärfung der Euro-Regeln sei nur eine vorübergehende Lösung, sagt der EU-Abgeordnete und Verhandler Elmar Brok im Gespräch mit Thomas Mayer. Der Pakt müsse bald EU-Recht werden.

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Standard: Was kann ein Euro-Vertrag auf Basis zwischenstaatlicher Vereinbarungen bringen?

Brok: Der Punkt ist, dass man zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise, zur Beruhigung der Märkte einiges tun kann und muss, was über den bestehenden EU-Vertrag hinausgeht. Aber dieser Weg eines Sondervertrages ist nur der zweitbeste Weg, wegen der britischen Veto-Haltung muss er gegangen werden. Von einer großen Mehrheit der Staaten wird gesagt, dass das keine Veränderung der Architektur der EU bringen darf, dass die Regelungen so schnell wie möglich in den Gemeinschaftsvertrag überführt werden müssen.

Standard: Wie soll das gehen?

Brok: Das ginge auf verschiedene Weise. Man könnte sagen, wenn später einmal alle EU-Staaten inklusive Großbritannien zustimmen und ratifizieren, gilt das automatisch als Teil des EU-Vertrages. Oder man führt eine "sunset clause" ein, ein Zeitlimit. Man vereinbart, dass in fünf Jahren entschieden werden muss, ob man den Stabilitätsvertrag in den EU-Vertrag überführt.

Standard: Steht das alles nicht trotzdem auf wackeligen Beinen?

Brok: Ja, selbstverständlich, und man wird auch deutlicher machen müssen, dass die Verpflichtungen nur für die Euroländer gelten, keine Bedeutung haben für Nicht- euroländer. Dann bringt man vielleicht einmal mehr Bewegungsspielraum auch in Großbritannien hinein, um diese ideologischen Positionen zu überwinden.

Standard: Die Hauptkritik am Vorgehen ist, dass es schnell, schnell geht, an Bürgerbeteiligung und Vertragskonvent vorbei.

Brok: Man muss aber auch sehen, dass Staaten jederzeit Verträge miteinander abschließen können. Wir Parlamentarier müssen dafür sorgen, dass damit die Architektur der Union nicht verändert wird. Es darf keine Sekundärgesetzgebung, keine Maßnahmen geben, die außerhalb des EU-Vertrages liegen. Und es muss sichergestellt sein, dass die Beteiligung des Europäischen Parlaments gewährleistet ist. Und das Ganze muss begrenzt sein auf Selbstverpflichtungen der Länder. Das gilt für die Schuldenbremse wie im Fall, dass man sich bei der Anwendung von Sanktionen gegen Schuldensünder nicht hinter bestimmten Mehrheiten versteckt.

Standard: Aber Selbstverpflichtung ist freiwillig, hat eben nicht die Qualität von EU-Recht.

Brok: Das ist richtig. Man kann das jetzt nicht in Primärrecht der EU bringen. Daher verpflichten sich die Staaten, das über die Schuldenbremse in ihre Verfassungen zu bringen. Es ist nur eine vorübergehende Lösung.

Standard: Sie sagen, in fünf Jahren muss neu entschieden werden - ist das der Zeithorizont für die nächste große EU-Vertragsreform?

Brok: Das wird der Vorschlag des Europäischen Parlaments sein, verbunden mit einer weiteren Verhandlungsfrist darüber von zwei Jahren. Man könnte dann weitere Themen dazunehmen.

Standard: Frankreich drängt darauf, dass bis März abgeschlossen wird, ist das realistisch?

Brok: Die Maßnahmen sollen Teil der Lösung der Finanzkrise sein, eine zu lange Ausdehnung der Verhandlungen wäre nicht nützlich. Wir sind in der Arbeitsgruppe bereit, da hilfreich zu sein. Aber die Qualität darf nicht leiden unter dem Zeitdruck.

Standard: Was sind die Positionen des Europaparlaments?

Brok: Es ist wichtig, das inhaltlich einzugrenzen: auf die Verankerung der Schuldenbremse und die Umkehrung von Mehrheiten im Schuldenverfahren, die bisher nicht erreichbar waren. Sanktionen könnten nur mit qualifizierter Mehrheit im Rat verhindert werden. Und es darf nicht dazu kommen, dass neue Institutionen geschaffen werden, die den geltenden Regeln entgegenstehen.

Standard: Sie haben seit dem Maastricht-Vertrag 1991 alle EU-Reformen an führender Stelle mitgemacht und verhandelt, was ist der Unterschied zu heute?

Brok: Heute geht es nicht um den großen Wurf, sondern um eine Reparaturmaßnahme, nachdem die Glaubwürdigkeit auf den Märkten zerstört worden ist, weil man sich im vergangenen Jahrzehnt nicht an die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gehalten hat, einschließlich Deutschland und Frankreich. Es läuft immer etwas schief, wenn man die Nationalstaaten alleinlässt, wenn sie allein entscheiden. Die Nationalstaaten sind ja die potenziellen Sünder, deshalb können sie nicht gleichzeitig die Schiedsrichter sein. Deshalb ist es wichtig, dass Institutionen wie die Kommission oder der Europäische Gerichtshof eine entscheidende Rolle haben. (DER STANDARD-Printausgabe, 2.1.2011)