Lilly McElroy springt ins Leere.  

Foto: Thomas Robertello Gallery / Lilly McElroy: Lilly, 2006

Sie wirft sich Männern an den Hals. Manche der Zwangsbeglückten heben etwas hilflos die Arme, um die auf sie zufliegende Frau aufzufangen, manche stehen nur wie paralysiert da und warten, was als Nächstes passiert. Was da genau auf den Fotos der Künstlerin Lilly McElroy vor sich geht, erschließt sich nicht gleich auf den ersten Blick. Auf die bereits im Jahre 2006 produzierte Fotoserie machte kürzlich mädchenmannschaft.net aufmerksam. Von wegen schnelllebiges Internet.

Die Künstlerin Lilly McElroy interessierte sich mit ihrer Serie "I Throw Myself at Men" für das Bedürfnis, Beziehungen rasch entstehen zu lassen, die gleichzeitig auch noch intensiv und dauerhaft sein sollen. Um diesem Thema ästhetisch nachzuspüren, begab sich McElroy in diverse Bars und sprach dort fremde Männer mit der Bitte an, sich doch dabei fotografieren zu lassen, wie sie sich ihnen mit einem kräftigen Sprung in die Arme wirft. In meist ziemlich abstoßend aussehenden Bars - jenen Orten, die in Prä-Internet-Zeiten die erste Wahl für eine fokussierte Beziehungsanbahnung waren - nahm sie mit Hilfe anderer FotografInnen ihre Aktionen auf. Zuvor versuchte die Künstlerin, Männer über eine Dating-Webseite zu finden, die sich mit ihr für ein Blind Date treffen und auch gleich für die Fotos zur Verfügung stehen sollten. Zwar meldeten sich interessierte Männer, so McElroy im Interview mit mädchenmannschaft.net, sie ging dann aber doch dazu über, die Männer ohne große Abmachung im Vorfeld direkt zu kontaktieren.

Beängstigend unbeschwert

McElroys Rückzug von Dating-Webseiten passt gut zum Ergebnis der Fotoserie. Diese wirkt nämlich nicht nur als Position zu Geschlechterrollen, was McElroy mit ihrer Arbeit auch beabsichtigte, sondern vor allem als Kommentar zu einer sterilen Datingkultur, wie wir sie aus zahllosen US-amerikanischen romantischen Komödien, Serien und Liebesfilmen kennen. Diese geregelte Form des sich Näherkommens (mit dem einzigen Ziel: eine Beziehung) erreichte durch Dating-Webseiten noch einmal eine andere Dimension des ohnehin schon sehr weitreichenden Prinzips der Kalkulierbarkeit. Ein Phänomen, dem die Soziologin Eva Illouz schon 2003 in ihrem Buch "Der Konsum der Romantik" nachging und das McElroy in ihrer Fotoserie ins genaue Gegenteil kehrte. Keine Worte über Kompatibilität oder Zukunftsvorstellungen werden verloren, es gibt auch keine geschönten Angaben über das Äußere. Stattdessen fliegt sie blind in die Arme des anderen, "wie ein Projektil", wie es die Künstlerin selbst beschreibt. Den Boden unter ihren Füßen hat sie verlassen, die Reaktion des anderen schreckt sie nicht ab. Eine beängstigende Unbeschwertheit hat Lilly McElroy mit ihrer Fotoserie da eingefangen.

Liebe mal anders

Zwischen zahlreichen Blogs mit endlosen Hochzeitsfotoserien, Gedichten und "Liebe ist ..."-Sprüchen versucht sich auch Antje Schrupp im Netz mit alternativen Abhandlungsversuchen zum Thema Liebe.

In ihrem Liebesblog fragt sie sich, ob es denn stimmen kann, dass Liebe kein Geschlecht kennt, und wundert sich, warum US-amerikanische weibliche Teenager vor Jungs angeekelt die Nase rümpfen, wenn sie die gleichen niedlichen Fernsehserien (etwa "My Little Pony", eine Art rosafarbene Zeichenfilmidylle, wie Schrupp die Serie beschreibt) konsumieren wie sie selbst. "Warum errichten sie (die Mädchen, Anm.) solche Hürden, mit denen sie sich doch selbst schaden, weil sie niemals in den Genuss einer Beziehung zu einem Mann kommen werden, der zwar rosa Pferdchen mag, aber ansonsten toll im Bett, ein super Gesprächspartner, idealer Kindsvater oder was auch sonst immer sein könnte?"

Gute Frage, und noch viele mehr gäbe es in Sachen Liebe, die sich in Blogs verhandeln ließen. Aber nein: Es müssen unzählige Fotos von Sonnenuntergängen, "Liebe ist ... "-Sprüche und endlose "Wie stelle ich es an, damit es klappt"-Fragen an die Community sein. (beaha, dieStandard.at, 1.2.2012)