Sand konservierte diese gut erhaltene Tempelanlage: "Edfu. Der verschüttete Pronaos des Horus-Tempels" von Norbert Bittner.

Foto: Kupferstichkabinett/Akademie

Wien - Zeit seines Lebens setzte der Akademie-Schüler Norbert Bittner keinen Fuß nach Ägypten - was ihn nicht daran hinderte, das kaum entdeckte Land jenseits des Mittelmeers auf seinen Bildern zu konservieren: Antike Tempel, Obelisken, die Sphinx und natürlich Pyramiden. Da er nie dort war, orientierte sich der böhmische Maler an deutschen und französischen Expeditionsberichten, etwa an "Sur l'Expédition de Bonaparte en Égypte" von Dominique Vivant Denon. Heute schimpfte man ihn "Plagiator", Anfang des 19. Jahrhunderts hingegen wurden Kopien als eigene Kunstrichtung gesehen.

"Ägypten, Nubien und die Cyrenaika. Die imaginäre Reise des Norbert Bittner (1786-1851)" im Xhibit der Akademie der bildenden Künste zeigt 57 Aquarelle eines imaginären Trips durch Nordafrika. Das Œuvre des eher unbekannten Malers, der 1786 im böhmischen Leitomischl geboren wurde, zeichnet sich sonst durch Landschaften aus der Umgebung Wiens, Architekturdarstellungen und radierte Bühnenentwürfe für Joseph Platzer und Antonio de Pian aus.

Bittner, der ab 1806 an der Akademie studierte und später auch den Komponisten Franz Schubert im Zeichnen unterrichtete, malte um 1830 eine fiktive Reise durch den antiken Sudan, Libyen und Ägypten. Der Hintergrund: Napoleons Ägypten-Feldzug 1798 entfesselte in Europa eine wahre Ägyptomanie - der sich auch Bittner nicht entziehen konnte.

Doch er betrachtete sich nicht als Autor oder gar Wissenschafter, er war Künstler durch und durch: Die Vorlagen aus den Reiseberichten erahnt man zwar, Bittner "vervollständigte" die Topografien jedoch durch Fantasiepflanzen, ergänzte die Architektur mit Reliefs und fügte zum Himmel Wolken hinzu, wie sie im Orient nicht vorkommen.

Von historischer Bedeutung sind seine Arbeiten dennoch: Da viele der aquarellierten Bau- und Kunstwerke nicht mehr existieren, sind die Blätter frühe Zeugnisse für die Ägypten-Rezeption des Biedermeiers. Biedermeierlich sind Bittners Darstellungen hingegen nicht. Charakteristisch sind eher klassizistische Elemente wie etwa die nüchtern gemalten Tempel.

Chronologie einer Reise

Die 57 Aquarelle Norbert Bittners schlummerten bis zur Ausstellung im Kupferstichkabinett der Akademie, da sie früher Teil der Lehrsammlung waren. Ähnlich fasziniert von Ägypten waren auch der Kölner Architekt Franz Christian Gau, der Historienmaler Franz Caucig und der Begründer der Ägyptologie in Österreich, Simon Leo Reinisch, deren Arbeiten ebenfalls gezeigt werden.

Im Gegensatz zur Schau "Ägypten für Daheimgebliebene" des Liechtenstein-Museums im vergangenen Jahr versuchte man nun in der Akademie, die Vorlagen Bittners genau zu identifizieren und sein Werk als Ganzes zu präsentieren. Die sehr anschauliche Ausstellung folgt der Chronologie der Expeditionsreisen und beleuchtet auch historische Kontexte.

Norbert Bittners geschwindelte, viel zu groß geratene Palmen wirken zwar unrealistisch, aber sie zeugen von der Faszination, die dieses fremde Land damals ausgelöst hat. (Michael Ortner/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 2. 2012)