73 Bezirksgerichte könnten bald zusperren - zumindest laut Plänen der Justizministerin.

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73 der 141 Bezirksgerichte sollen zusperren: Mit diesem Ziel will Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) in Verhandlungen mit den Länderchefs treten. Durch die Zusammenlegungen sollen jährlich sechs Millionen Euro eingespart werden. Die Ministerin wünscht sich, dass es künftig keinen Gerichtsstandort mit weniger als vier RichterInnen gibt. Derzeit ist dies österreichweit bei rund 100 Gerichten der Fall. 

Das Richterpersonal dieser kleinen Standorte soll an größeren Gerichten zentralisiert werden, es werde dabei aber keine einzige Richterstelle gekürzt, versichert Karl. Künftig soll es nur noch 68 Bezirksgerichte geben - es wird also nicht mehr jeder Bezirk in Österreich ein eigenes Bezirksgericht haben.
Zuletzt waren Befürchtungen geäußert worden, dass es beim Kanzleipersonal an den Gerichten doch noch zu Kürzungen kommen könnte. "Ich schließe das aus", versichert Karl.

Wie dann aber jährlich sechs Millionen Euro gespart werden sollen, wenn die Personalkosten konstant bleiben? Das sei durch die Zusammenlegung der Infrastrukturen zu erreichen, glaubt Karl: Ein großer Brocken seien die Sicherheitskontrollen in den Gerichten - sie schlagen laut Karl mit 40.000 Euro pro Gericht zu Buche. Auch durch die Zusammenlegung von Bibliotheken, Einlaufstellen, IT-Abteilungen und Aktenlagern spare man Kosten.

Investitionen notwendig

Freilich müssen infolge der Gerichts-Konzentration bestehende Standorte zu größeren, "zentralen" Bezirksgerichten ausgebaut werden - und dadurch werden wiederum Investitionen fällig, die die Einsparungen zum Teil wieder auffressen. Auch neue Mieten werden anfallen, da bestehende Gerichtsgebäude räumlich meist gut ausgelastet sind und die Unterbringung zusätzlicher Arbeitsplatze kaum zu schaffen ist. 

"Ja, es wird Investitionen geben müssen", gibt Karl zu - so seien die jährlich sechs Millionen Euro Einsparungen auch "langfristig gerechnet". Zur akuten Budgetkonsolidierung wird die Strukturreform also eher wenig beitragen können.

Karl möchte durch die Zusammenlegung aber laut eigenen Angaben nicht nur Kosten sparen, sondern auch "die Qualität erhöhen" - etwa dadurch, dass ein Gerichtsbediensteter, der bisher zwischen drei Gerichten gependelt ist, nur noch an einem Standort angesiedelt wird und dort dafür längere Öffnungszeiten anbieten kann. 

Um die neuen, größeren Bezirksgerichte möglichst gut auszulasten, will die Ministerin Arbeit von den Landesgerichten zu den Bezirksgerichten verschieben: Diese sollen künftig für Zivilsachen im Streitwert von bis zu 25.000 Euro zuständig sein, bisher lag die Grenze bei einem Streitwert von 10.000 Euro - für alle gewichtigeren Causen waren die Landesgerichte zuständig.

Landesgerichte verlieren Causen

Wie viel Arbeit dadurch den Landegerichten genommen würde, lässt sich nicht genau sagen. "Gefühlsmäßig ist das mindestens ein Drittel der Fälle", meint Marlene Perschinka, Präsidentin des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen, auf derStandard.at-Anfrage. Für die Landesgerichte bringe die Anhebung der Streitwertgrenze zwar eine Entlastung, für die Bezirksgerichte könne dies aber schnell zur Überlastung werden, mahnt Perschinka - der Ruf nach zusätzlichem Personal an den Bezirksgerichten könnte bald laut werden.

Voves: "Haben Vorleistungen erbracht"

Wie viele Bezirksgerichte tatsächlich geschlossen werden, ist noch völlig offen: Die Landesregierungen müssen der Reform zustimmen.
In der Steiermark sind an 17 der 22 Bezirksgerichten weniger als vier Richter beschäftigt - hier wäre also einiges Sparpotenzial vorhanden. Der zuständige Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) gibt sich offen: "Wir haben die Unterlagen erst heute bekommen, aber wir sind gesprächsbereit", meint Voves' Sprecher René Kronsteiner im derStandard.at-Gespräch, fügt jedoch hinzu, dass "die Steiermark bereits 2005 Vorleistungen erbracht und Gerichte zusammengelegt hat".

Pühringer: "Da ist einiges drinnen"

Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) ist nicht abgeneigt, in seinem Bundesland zu sparen: In Oberösterreich sei "auf jeden Fall einiges drinnen", sagt Pühringer im derStandard.at-Gespräch. Dass es an manchen Standorten nur einen Richter oder eineinhalb mäßig ausgelastete RichterInnen gebe, sei "nicht zu rechtfertigen". Konkrete Zahlen wolle er aber erst nennen, wenn sich die Mitglieder der Landesregierung in dieser Frage eins seien. 

Sparen will die Justizministerin auch bei den Gerichtstagen an ehemaligen Standorten, die künftig nicht mehr angeboten werden, und bei den Medikamenten im Strafvollzug, für die eine partielle Chefarztpflicht eingeführt wird. Auch technische Neuerungen beim Grundbuch sollen Einsparungen bringen. (derStandard.at, 15.2.2012)