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ORF-Hörfunkdirektor Karl Amon will eine Lösung bis spätestens Sommer.

Foto: APA/Fohringer

Am Mittwoch steht die nächste Verhandlungsrunde zwischen ORF-Radiodirektor Karl Amon und einer Delegation der freien ORF-Mitarbeiter auf dem Programm. Am Tapet liegen die prekären Arbeitsbedingungen. Amon strebt eine Lösung bis spätestens Sommer an, wie er im Interview mit derStandard.at betont. Die finanziellen Mittel dafür, "das wird schon eine ordentliche Summe sein", möchte er über mehr Einnahmen - gepaart mit einer Kostenreduktion - aufbringen.

derStandard.at: Die nächsten Verhandlungen stehen an. Sie haben Verständnis gezeigt für die Forderungen der freien ORF-Mitarbeiter. Ist ein Abschluss bis Sommer realistisch?

Amon: Wir haben vor rund einem Jahr mit den Verhandlungen begonnen, weil mir das Thema damals schon ein Anliegen war. Leider sind dann die Honorarkatalogsverhandlungen ins Stocken gekommen. Bei der kommenden Runde wollen mir die freien Mitarbeiter sagen, wie viele Betroffene es gibt und was die konkreten Wünsche sind. Die Frage ist auch, ob sie meinem Vorschlag, einen Honorargarantievertrag anzustreben, etwas abgewinnen können. Ich will eine Lösung, die die Qualität der Leistungen der "Freien" besser honoriert.

derStandard.at: Wie sieht so ein Honorargarantievertrag aus?

Amon: Wir haben das mit einem Teil der ORF-Korrespondenten, die wie fixe "Freie" an den ORF gebunden sind. Der ORF übernimmt bis zu einem gewissen Höchstbetrag monatliche Zahlungen. Die freien Mitarbeiter garantieren ihrerseits eine Leistung, die von den Aufträgen her erbringbar ist. Wenn diese Leistung überschritten wird, gibt es eine zusätzliche Bezahlung nach dem Honorarkatalog. Wer mehr arbeitet, soll die Möglichkeit haben, mehr zu verdienen.

derStandard.at: Diese Regelung beinhaltet eine sozialrechtliche Absicherung?

Amon: Ja, das soll nach meinen Vorstellungen auch bei der Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung konkreter geregelt werden.

derStandard.at: Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind nicht inkludiert?

Amon: Auch das soll geregelt werden im Falle, dass die freien MitarbeiterInnen einen Honorargarantievertrag wirklich wollen. Momentan ist der Zustand nicht befriedigend. Manche "Freie" sagen, sie müssen Aufnahmegeräte in den Urlaub mitnehmen und dort Beiträge machen, um den Urlaub zu finanzieren. Das soll sehr bald der Vergangenheit angehören.

derStandard.at: Bis wann?

Amon: Ich habe immer gesagt, dass für mich Sommer der späteste Termin ist. Bis dahin möchte ich das geregelt haben.

derStandard.at: Die Freien sind ja eine sehr heterogene Gruppe. Geht es neben höheren Honoraren auch um Angestelltenverhältnisse?

Amon: Es gibt viele, die wollen Freie bleiben und sich in kein Korsett zwängen lassen. Da geht es um ordentliche Entlohnung ihrer Leistung. Die Lösung soll aus Sicht der "Freien" eine Verbesserung und keine "Verböserung" sein.

derStandard.at: Aber am Ende der Verhandlungen könnten reguläre Angestelltenverhältnisse das Resultat sein, falls das von einer Gruppe gewünscht wird?

Amon: Momentan ist alles offen. Ich warte jetzt auf die Vorschläge, die kommen, möchte nichts verordnen und den Verhandlungen nicht vorgreifen.

derStandard.at: Von der Größenordnung her ist von ca. 200 freien Mitarbeitern bei Ö1 und FM4 die Rede. Stimmt das?

Amon: Ich kenne die Zahl der prekären Fälle nicht genau und warte auf das Gespräch mit den "Freien". Mir geht es in erster Linie um jene, die ihren Arbeitsmittelpunkt im ORF haben und vom ORF-Gehalt leben müssen. Wir haben einige, die gut verdienen, die sind nicht meine Sorgenkinder. Einige machen nur ein- oder zweimal pro Jahr einen Beitrag, weil sie für andere Medien arbeiten. Auch die sind nicht meine Sorgenkinder. Es geht um jene, die mindestens zwei Drittel ihres Einkommens vom ORF beziehen.

derStandard.at: Es wird kritisiert, dass trotz Vollzeitarbeit oft nicht mehr als ein Salär von 1.000 oder 1.200 Euro brutto pro Monat herausschaut. Ist das für einen öffentlich-rechtlichen Sender nicht unwürdig?

Amon: Genau das ist der Grund, warum ich hier aktiv geworden bin.

derStandard.at: Zum Teil sind die Honorare in Deutschland um das Zwei- bis Dreifache höher. Kann das als Orientierung dienen?

Amon: Wenn wir in Richtung Honorargarantieverträge gehen, dann spielen die Honorare erst eine Rolle, wenn das vereinbarte Mindestkontingent überschritten wird. Das ist ein ganz anderes Modell, deswegen halte ich es nicht für sinnvoll, jetzt schon über das doppelte oder dreifache Honorar zu sprechen. Zuerst muss einmal die Richtung klar sein.

derStandard.at: Zum Teil sind die Gehälter der ORF-Manager höher als jene ihrer Pendants in Deutschland. Bei den Freien ist das Gegenteil der Fall. Ist diese Diskrepanz fair?

Amon: Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber das ist Sache des Stiftungsrates, der legt die Gehälter fest. Insgesamt gehören Medienmanager in Deutschland, der Schweiz oder auch in Österreich sicher nicht zu den Spitzenverdienern im Gesamtvergleich. In anderen Branchen sind vergleichbare Managerjobs wesentlich höher dotiert. Aber Geld ist nicht die ausschlaggebende Motivation. Das Glück hat nicht jeder, dass die Arbeit, so wie in meinem Fall, auch zugleich Hobby ist.

derStandard.at: Haben Sie ungefähr den finanziellen Mehraufwand vor Augen, wenn freie Mitarbeiter adäquat entlohnt werden?

Amon: Das ist schwer zu sagen, das wird schon eine ordentliche Summe sein. Zuerst müssen wir den Weg definieren.

derStandard.at: Der ORF bekommt die Gebührenrefundierung, eine Gebührenerhöhung steht auch ins Haus. Der finanzielle Spielraum dürfte also da sein.

Amon: Der Spielraum ist eigentlich nie da, weil immer zu wenig Geld vorhanden ist. Seit ich in Führungsfunktionen im ORF bin, begleiten mich Sparprogramme. Das ist in Ordnung und dafür werde ich auch bezahlt, um die umzusetzen. Und zwar so, dass meine Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeitsfreude und die Kreativität nicht verlieren.

derStandard.at: Über Umschichtungen geht es?

Amon: Sicher geht einiges.

derStandard.at: Kolportiert wird, dass alleine eine einzige Folge "Dancing Stars" mit über einer Million Euro zu Buche schlägt.

Amon: Ich bleibe in meinem Bereich und hier haben wir Möglichkeiten, durch Einnahmenerhöhungen, gepaart mit Kostenreduktionen, den Spielraum zu vergrößern. Da brauchen wir nicht in fremden Direktionen wildern. "Zünde das Haus des Nachbarn an" war noch nie mein Zugang.

derStandard.at: Kritisiert wird hier die Prioritätensetzung eines öffentlich-rechtlichen Senders - zulasten eines Flaggschiffs wie Ö1?

Amon: Als freier Mitarbeiter hätte ich das ähnlich formuliert. Man muss schon die Kirche im Dorf lassen. Beim Fernsehen haben wir den Faktor zehn bei den Kosten, das ist bei allen TV-Sendern so.

derStandard.at: Wie Sie sagen, ist Spielraum da. Ö1 wird Ihrer Meinung nach also nicht kaputtgespart?

Amon: Ich bin ein Garant, dass das nicht passiert, und weiß mich in guter Gesellschaft mit meinen DirektionskollegInnen und dem Generaldirektor.

derStandard.at: Sukzessiver Mitarbeiterabbau, mehr Wiederholungen gehen nicht zulasten der Qualität?

Amon: Wie schon gesagt, seitdem ich in Führungspositionen bin, also schon lange, war das immer begleitet von angekündigtem Personalabbau und Sparmaßnahmen. Ich werde dafür bezahlt, dass es trotz dieser Ankündigungen den Mitarbeitern weiter Spaß macht und die Kreativität nicht darunter leidet. Unternehmen müssen jedoch kostengünstig und kostenbewusst agieren.

derStandard.at: Die Verhandlungen über höhere Honorare gibt es ja schon länger. Warum ist unter ihren Vorgängern, Ö1-Chef Treiber und Radiodirektor Mitsche, nichts weitergegangen?

Amon: Ich würde das nicht so sehen. Der weltweit erfolgreiche Informations- und Kultursender Ö1 passiert ja nicht zufällig, da können die Verantwortlichen nicht ganz unschuldig daran sein.

derStandard.at: Wird nicht oft auch gezielt das Image transportiert, dass Mitarbeiter stolz sein müssen, für Ö1 arbeiten zu können, und man da halt einfach eine Portion Idealismus an den Tag legen muss? Quasi Ehre und wenig Geld.

Amon: Ich hoffe nicht, dass das eine Art Mogelpackung ist, sondern dass meine Kollegen und Kolleginnen genauso stolz sind auf Ö1, Ö3 und FM4, wie ich es selbst bin. Stolz darf aber natürlich nicht die einzige Entlohnungsform sein.

derStandard.at: Im Zuge der Causa Pelinka wurde der Protest lautstark artikuliert. Sind Sie froh, dass das die Initialzündung war, um vielleicht schon bald zu einem Abschluss zu kommen?

Amon: Für die Öffentlichkeit wurde der Protest erst im Jänner sichtbar, das stimmt. In Wirklichkeit hatten wir das erste Gespräch vor rund einem Jahr, schon damals war es mir, wie schon gesagt, ein Anliegen. Es ist logisch, dass so eine Möglichkeit, um auf die Forderungen aufmerksam zu machen, wahrgenommen wird. Das ist nachvollziehbar. (Oliver Mark, derStandard.at, 21.2.2012)