Voller Einsatz fürs Unternehmen, auch wenn es nicht das eigene ist.

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Es müsste mehr Intrapreneurs geben, meint Conrad Pramböck. Unternehmerisch denkende Angestellte seien zufriedener im Job.

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Er ist davon überzeugt, dass es Angestellte besser haben als Selbstständige: Der Unternehmensberater Conrad Pramböck hat mit seinem Buch Jobstars quasi ein Plädoyer für das Angestelltendasein geschrieben.

derStandard.at: Menschen werden heute ermutigt, sich selbstständig zu machen. Sie halten dagegen.

Pramböck: Es ist eine gefährliche Entwicklung, dass Arbeitslose in die Selbstständigkeit gedrängt werden, damit sie aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden. Außerdem erlebe ich in meiner Beratertätigkeit und im Freundeskreis, dass viele Angestellte frustriert sind, auf ihre Chefs und die Kollegen schimpfen und deswegen den Traum haben, sich irgendwann selbstständig zu machen. Ich empfehle das nur jenen, die genau wissen, was sie erwartet.

derStandard.at: Was haben Angestellte besser?

Pramböck: Sie haben extrem große Sicherheit, regelmäßiges Einkommen, verdienen ab dem ersten Arbeitstag, haben einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz und bekommen Unterstützung von ihren Kollegen. Selbstständige hingegen verbringen die ersten Wochen damit, Möbel und Computer zu besorgen, mit Rechtsanwalt und Steuerberater zu sprechen. Das sind zwar wichtige Dinge, aber es vergeht Zeit, die sie nicht dafür investieren können, Geschäfte zu machen.

derStandard.at: Sehen Sie gar keine Schattenseiten?

Pramböck: Doch, und ich habe auch hinterfragt, warum so viele Angestellte frustriert sind. Laut einer Gallup-Studie hat mehr als die Hälfte innerlich gekündigt. Ich habe mit vielen gesprochen und herausgefunden, es liegt vor allem an der Einstellung zum Arbeiten. Der größte Fehler, den Angestellte machen können, ist, zugunsten eines sicheren Einkommens oder der Bequemlichkeit zahlreiche Kompromisse einzugehen - nämlich auf Kosten der Zufriedenheit mit dem Job. Kein Wunder, dass viele unmotiviert sind, sich Montagmorgen ins Büro quälen und Freitagnachmittag auf Facebook posten, dass endlich Wochenende ist.

Ein Selbstständiger hingegen stellt niemals das sichere Einkommen in den Vordergrund, für ihn gibt es keine Sicherheit. Die Arbeitsleistung zählt. Er mit seinem Job ist die Lösung für ein Problem, und er sucht einen Markt dafür. Diese Einstellung sollten sich Angestellte zu Herzen nehmen.

derStandard.at: Heißt das, Angestellte werden glücklicher, wenn sie denken wie Selbstständige?

Pramböck: Unternehmerisch zu denken ist das Um und Auf für Angestellte. Es gibt auch das Schlagwort "Intrapreneur": der Unternehmer im Unternehmen. Will ich als Angestellter persönlich erfolgreich sein, muss ich mir ein Ziel setzen. Dann kann ich nach kollegialer Unterstützung innerhalb der Firma und auch extern suchen. Und je besser mein Netzwerk an Personen ist, die mich dabei unterstützen, desto erfolgreicher werde ich. In diesem Angestelltendasein sehe ich die Zukunft.

derStandard.at: Nicht jeder hat aber diese Möglichkeiten. Viele Menschen sind auf Billigjobs angewiesen - auch sie sind angestellt.

Pramböck: Wenn Sie alleinerziehend sind, keine Qualifikationen haben, sind Sie auf Billigjobs angewiesen. Als Hilfsarbeiter oder Kassiererin versuchen Sie irgendwie über die Runden zu kommen. Aber die Selbstständigkeit ist für diese Menschen auch keine Lösung. Innerhalb der ersten drei Jahre geht ein Drittel der Kleinstunternehmen in Konkurs. Ein sicheres Einkommen ist besser, als pleitezugehen. Nicht einmal an der Wirtschaftsuni lernt man, wie man erfolgreicher Gründer wird. Man lernt es durch Versuch und Irrtum, und jeder Irrtum kann fatal sein und bares Geld kosten.

derStandard.at: Sie schreiben, die Angestellten säßen in den Unternehmen am längeren Hebel. Was ist mit den Arbeitgebern?

Pramböck: Auf der einen Seite werden die Anforderungen der Unternehmen an die Angestellten immer höher. Früher war ein akademischer Grad quasi eine Jobgarantie für den Rest des Lebens. Heute reicht das nicht. Habe ich Soziologie studiert, tue ich mir schwer, überhaupt einen Job zu finden. Und in manchen Branchen ist es schwer, von Anfang an eine fixe Anstellung zu bekommen. Ich brauche dazu noch Praktika, eine Post-Graduate-Ausbildung, internationale Erfahrung, perfekte Englischkenntnisse. Die Anforderungen steigen und die Einstiegsgehälter bewegen sich kaum nach oben.

Auf der anderen Seite sind qualifizierte, leistungsbereite Mitarbeiter so gefragt wie noch nie. Die Demografie zeigt, es kommen auch nicht mehr so viele Angestellte nach. Dieser War for Talents wird sich in Zukunft noch verstärken. Immer mehr Unternehmen werden immer mehr qualifizierte Mitarbeiter suchen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Angestellten um 50 Prozent gewachsen, die Zahl der Selbstständigen um 15 Prozent. Dieser Trend wird sich fortsetzen, weil für Unternehmen eine qualifizierte Stammmannschaft wichtig ist. Jeder gute Unternehmer weiß, dass er nichts ist ohne seine Angestellten. 

derStandard.at: Muss sich auch die Einstellung der Führungskräfte verändern?

Pramböck: Die Einstellung der Führungskraft von gestern lautet: Es geht nicht um die Arbeitsleistung, ich komme nur weiter mit politischen Spielchen. Wenn ich oben sitze und Macht, Status und ein hohes Einkommen habe und es kommt ein junger Mitarbeiter, der gute Ideen hat, habe ich als schlechte Führungskraft die Befürchtung, er sägt an meinem Sessel. Führungskräfte sollten diese Ideen vielmehr aufnehmen, verbessern und die Umsetzung wieder in die Hände der Mitarbeiter geben. Gelingt das, sind die Angestellten von sich aus motivierter. Zudem profitieren auch die Führungskräfte davon: Sie vergrößern ihren Einfluss, weil sie Mitarbeiter haben, die ihre Interessen verfolgen. 

derStandard.at: Das Pensionsalter soll angehoben werden. Was muss sich dafür für die älteren Angestellten ändern? 

Pramböck: Viele Menschen wollen länger arbeiten, aber nicht so, wie es jetzt ist. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen passen. Das zeigt sich am Beispiel des flexiblen Arbeitens: Viele Angestellte wollen das. Doch die Menschen müssen immer noch die Stechuhr betätigen - wegen der Gewerkschaft. Das passt überhaupt nicht zusammen. (derStandard.at, 1.3.2012)