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So freundlich waren Franz Voves und Hermann Schützenhöfer vor einigen Jahren noch nicht zueinander.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Vor einigen Jahren wäre es unvorstellbar gewesen: Der steirische Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) gratulierte seinem Vize Hermann Schützenhöfer (ÖVP) dieser Tage auf dessen Geburtstagsfeier. Im Herbst 2006 hatte Voves - der einen Tag vor Schützenhöfer Geburtstag hat - die ÖVP noch als "genetisch bedingte Krebszelle" bezeichnet. Das Klima in der steirischen Landesregierung war miserabel. Aber das war vor der "Reformpartnerschaft", die SPÖ und ÖVP nach der Landtagswahl 2010 eingegangen sind.

In der nach Proporz mit SPÖ, ÖVP und FPÖ besetzten Landesregierung schlossen Schwarz und Rot ein Arbeitsübereinkommen. Gemeinsam haben die Großparteien - im Angesicht der schlechten finanziellen Situation des Bundeslandes - eine massive Verwaltungsreform beschlossen: Der steirische Landtag wird verkleinert, Gemeinden werden zusammengelegt - vor allem dagegen bildet sich Widerstand in den Ortschaften (derStandard.at berichtete). Dass Voves und Schützenhöfer nun auf Kuschelkurs sind, stößt manchen sauer auf.

"Eine zweischneidige Sache"

In den Gemeinden nimmt man sich kein Blatt vor den Mund: "Die Landesregierung setzt uns mit der Gemeindestrukturreform gewaltig unter Druck", klagt Alfred Langbauer (SPÖ), Bürgermeister der 700-Einwohner-Gemeinde Tillmitsch südlich von Graz. Er findet, dass sich keine der Parteien deutlich stärker durchsetzt, "fifty-fifty, das hält sich ziemlich die Waage". Als stimmenstärkste Partei sollte die SPÖ allerdings öfter ihre Handschrift erkennen lassen, sagt Langbauer. Denn: "Es ist sicher richtig, dass die Unterscheidung der beiden Großparteien manchmal schwer fällt."

Sanfte Töne schlägt die Bürgermeisterin der Gemeinde Wildalpen im Bezirk Liezen an. Karin Gulas, ebenfalls von der SPÖ, findet, "die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Landesregierung funktioniert sehr gut". Die ausgesprochen harmonische Zusammenarbeit zwischen den SozialdemokratInnen und der Volkspartei sieht sie eher kritisch, "aber das ist eine zweischneidige Sache". Auf der einen Seite sei man gezwungen zusammenzuarbeiten - andererseits würden die Parteien damit an Profil verlieren. Gulas wünscht sich, dass sozialdemokratische Werte in der Landesregierung stärker forciert werden.

"Wen würden Sie wählen?"

Noch unglücklicher mit der allzu friedlichen Regierungszusammenarbeit wirken einige ÖVP-Bürgermeister. Sehr klare Worte findet Josef Lind, Ortschef der Gemeinde Kaibing: "Der Kuschelkurs ist schlecht." Durch die mangelnde Abgrenzung wüssten die Menschen in der Steiermark nicht mehr, welche Partei wofür stehe. Am ehesten profitiere davon noch der rote Landeshauptmann.

"Wenn diese Verwaltungsreform so kommt, gibt es einen Verlierer, und der heißt ÖVP", sagt Lind. Die Menschen, die Voves zwischen 2005 und 2010 eingestellt hat, müsse Schützenhöfer als Personalreferent nun wieder entlassen. Lind: "Wen würden Sie wählen - den, der Sie einstellt, oder den, der Sie rausschmeißt?"

"Die ÖVP kommt unter die Räder"

Dass die ÖVP beim Kuscheln an Profil verliert, meint auch Viktor Wurzinger (ÖVP). Er ist Bürgermeister von Jagerberg im Südosten des Landes. Wurzinger sieht die harmonische Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP zwar nicht an sich als Problem: "Wenn Sie Reformen durchsetzen wollen, müssen Sie ja zusammenarbeiten." Und vor der Wahl werde es ohnehin wieder anders ausschauen.

In der Arbeit der Landesregierung sieht er aber eher die Handschrift der SPÖ. "Ich glaube, dass sich die SPÖ öfter durchsetzen kann. Die ÖVP kommt ein bisschen unter die Räder", sagt Wurzinger. Was er sich von seiner Partei auf Landesebene wünscht? "Dass sie bei ihren Positionen härter bleibt und mehr Gegendruck erzeugt."

FPÖ reibt sich die Hände

Die Opposition im Landtag beurteilt die sehr friedliche Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP nüchtern: "Voves kann, glaube ich, ganz gut mit der ÖVP-Linie, der SPÖ-Klub im Landtag würde das wohl anders machen", sagt Sabine Jungwirth, Klubobfrau der Grünen im steirischen Landtag. Einen SP-internen Konflikt sieht sie trotz dieser politischen Diskrepanz nicht: "Die SPÖ ist so aufgebaut, dass, wenn der Kopf etwas sagt, der Rest pariert." Lange werde es aber sowieso nicht mehr so harmonisch zugehen, meint Jungwirth. "Ich gehe davon aus, dass es gegen Ende der Periode wieder Abgrenzungsversuche geben wird."

Gerhard Kurzmann, FPÖ-Landesrat und damit dank des steirischen Proporzes regierungsinterne Opposition, sagt, er verstehe "die Nervosität der SPÖ, denn ihr kommt das Fußvolk abhanden". Vom Kuschelkurs des Rests der Landesregierung werde am Ende die FPÖ profitieren. Auch er glaubt, dass sich die Parteien "eineinhalb bis zwei Jahre vor der nächsten Wahl" wieder voneinander abgrenzen werden.

SJ-Chef hört keine Kritik

Angesprochen auf die intern geäußerte Kritik an der Regierungsharmonie ist Max Lercher hörbar verwundert. Der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Steiermark und Landtagsabgeordnete der SPÖ hat keine internen Streitigkeiten wahrgenommen - zumindest nicht mehr als sonst: "Ich bekomme interne Kritik meistens sehr stark mit. Kritik gibt es immer, aber die ist überhaupt nicht überbordend."

Dass sich die SPÖ innerhalb der Landesregierung zu wenig durchsetzt, kann Lercher nicht erkennen. "Ich bin als SJler immer sehr kritisch, aber in der aktuellen Regierungsarbeit kann ich ganz klar die Handschrift der SPÖ erkennen." Am 10. März wird Franz Voves auf dem Landesparteitag der steirischen SPÖ nachträglich zu seinem Geburtstag gratuliert werden. Ob die Basis dort auch gegen den Kuschelkurs der Landesregierung mobilmacht, wird sich zeigen. (sab, derStandard.at, 29.2.2012)