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Am 7. Februar bestätigte ein Berufungsgericht in West-Hollywood, dass die Proposition 8 verfassungswidrig ist. Für homosexuelle Paare heißt das aber noch nicht, dass sie bald heiraten können, denn es gibt eine starke Opposition, die immer wieder mit denselben Argumenten ankommt: Homosexuelle könnten keine "optimalen" Beziehungen wie Heterosexuelle führen. Das widerlegen Studien, die einer Öffentlichkeit dargelegt wurden, dank der Prozesse.

Foto: REUTERS/Jonathan Alcorn

Als frischgebackene Professorin setzte die Sozialpsychologin Anne Peplau ihren StudentInnen Ergebnisse ihrer Studien über Beziehungsmuster Heterosexueller vor. Wenn lesbische und schwule Studierende sie fragten, warum sie denn nicht auch über homosexuelle Partnerschaften spricht, musste sie ihnen erklären, dass es keine vergleichbaren Forschungen gab. Das war Mitte der 1970er Jahre, und Peplau beschloss, eigene Untersuchungen anzustellen.

An der The University of California in Los Angeles (UCLA) suchte sie lesbische und schwule Paare per Aushang und auf persönlichem Weg - ein nicht immer einfaches Unterfangen, schließlich war es noch nicht allzu lange her, dass die Mehrheit der PsychologInnen Homosexualität als Geisteskrankheit erachtete. Die Weltgesundheitsorganisation änderte eine ebensolche Definition erst 1992. Peplau hatte damals keine Ahnung, dass ihre Arbeit sie Jahrzehnte später mitten in die Schlacht um gleichgeschlechtliche Ehe in den Vereinigten Staaten katapultieren würde; und das auch als Figur in einem etwas anderen Film.

Der lange Streit ums Verbot

"In den 70ern war die eheliche Gleichstellung einfach kein Thema", sagt Peplau, die zu der kleinen Gruppe von SozialpsychogInnen gehört, die 2008 als ExpertInnen im Gerichtsstreit um die kalifornische "Proposition 8" vor Gericht aussagten. Diese Gesetzesinitiative wollte dafür sorgen, dass der Bundesstaat die Legalisierung der Homosexuellenehe zurücknimmt und das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehe in die Verfassung niederschreibt, was in einem ersten Verfahren als verfassungswidrig erkannt wurde. Dem widersprach ein zweites Gericht und erlaubte den Bann. In der kurzen Zeitspanne zwischen Mai und November 2008, in der die Homosexuellenehe in Kalifornien legal war, ließen sich über 18.000 Paare trauen.

Erst Anfang Februar dieses Jahres bestätigte ein Berufungsgericht höherer Instanz das Ersturteil: Proposition 8 verletze die US-Verfassung, "dient keinem anderen Zweck und hat keine andere Auswirkung als den Status und die Würde von Schwulen und Lesben in Kalifornien zu unterminieren", argumentierte das Gericht. Diese Entscheidung, "Perry v. Schwarzenegger", bedeutet aber kein grünes Licht für die Homosexuellenehe, solange die Berufungsmöglichkeiten nicht ausgereizt sind. So könnte der Fall noch vor dem Höchstgericht landen.

Mythen über Homosexuelle

Im Schlaglicht dieser Rechtsschlachten wurden auch Forschungen über die psychologischen und sozioökonomischen Aspekte gleichgeschlechtlicher Beziehungen immer stärker beleuchtet. Auch Lee Badgett, eine Arbeitsökonomin an der University of Massachusetts in Amherst, war eine der ExpertInnen, die gegen Proposition 8 vor Gericht aussagten. "Es ist nur wenige Jahrzehnte her, dass viel Mythen und wenig Fakten über Homosexuelle herumgeisterten", resümiert sie. Selbst in den 1990ern dominierten noch Vorurteile, die davon ausgingen, dass Lesben und Schwule am Arbeitsmarkt beim Gehalt bevorzugt würden: "Da gab es diese Vorstellung vom reichen schwulen Paar ohne Kinder", sagt sie.

"Heiraten spart den SteuerzahlerInnen Geld"

Die US-weiten Studien von Badgett und KollegInnen konnten das nicht belegen; im Gegenteil fanden sie heraus, dass schwule Männer durchschnittlich unter dem Gehalt ihrer heterosexuellen Kollegen bezahlt wurden, während lesbische Frauen gleich gut oder besser ausstiegen. Ergebnisse wie dieses veranlassten Badgett, herauszufinden, was unter einer Kosten-Nutzen-Rechnung bei ehelichen Verbindungen herauskommt. Ein interessantes Resultat: Paare, egal ob homo- oder heterosexuelle, die sich rechtlich binden, beziehen weniger häufig staatliche Unterstützung. Einerseits, weil sie in härteren Zeit einander finanziell eher zur Seite stehen, und andererseits, weil die US-Sozialhilfeträger bei Paaren mit finanzieller Zuwendung geizen. Das einfache Fazit, wie Badgett es formuliert: "Heiraten spart den SteuerzahlerInnen Geld."

Zwölf Tage vor Gericht

In Laufe des letzten Jahrzehnts haben sich die VerfechterInnen gleichgeschlechtlicher Ehe vermehrt auf wissenschaftliche Ergebnisse wie dieses gestützt, um ihre Argumentation zu untermauern. Als die Frage unweigerlich vor Gericht landete, mussten Badgett wie auch ForscherInnen, die für die GegnerInnen der Homosexuellenehe brauchbare Forschungen angestellt hatten, den Hör- immer öfter gegen den Gerichtssaal tauschen. Aber kein Fall rückte die ExpertInnen so sehr in den Mittelpunkt wie der oben erwähnte "Perry v. Schwarzenegger", der 2010 mit einem zwölftägigen Aussage-Marathon vor US-Bundesrichter Vaughn Walker und unter den Augen der Öffentlichkeit begann. Die GegnerInnen der Proposition 8 führten neun SozialwissenschafterInnen vor, PsychologInnen, ÖkonomInnen, PolitologInnen, die über alle denkbaren Bereiche, von der "politischen Macht" Homosexueller bis zum Kindeswohl in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aussagten. Die BefürworterInnen riefen nur zwei Experten* auf, einen Historiker und einen Politikwissenschafter, der sich dafür aussprach, den WählerInnen das Recht zu geben, für die für Kinder "optimale" Familienstruktur zu stimmen. Richter Walker wies große Teile dieser Zeugenaussagen zurück, weil sie seines Erachtens keine nachvollziehbaren wissenschaftlichen Fakten lieferten.

Homo- und heterosexuelle Beziehungen funktionieren nicht unterschiedlich

"Das war eine herausragende Gelegenheit, Forschungen in einem so wichtigem Kontext zu erörtern", sagt Peplau, die von der Anfrage der AnwältInnen, die Proposition 8 kippen wollten, "recht überrascht" gewesen sei. Ihr Kollege Gregory Herek, Psychologe an der University of California Davis und ebenfalls Zeuge vor Gericht, war es dagegen nicht: "Anne ist tatsächlich eine Pionierin, wenn es um Forschungen über homosexuelle und heterosexuelle Paare im Vergleich geht." Genaugenommen hat Peplaus Arbeit eine fundamentale Frage angestoßen: "Liegen den Verhaltensdynamiken bei heterosexuellen Paaren Geschlechtsunterschiede zu Grunde oder andere Faktoren?"

Die Antwort, die Peplau nach Jahrzehnten voller Interviews, Analysen von Videoaufnahmen zwischenmenschlichen Verhaltens und Laborexperimenten darauf geben kann: Homo- und heterosexuelle Beziehungen funktionieren ähnlich statt unterschiedlich. "Schaut man sich die Faktoren bei gelingenden Beziehungen an, Machtverteilung und andere Themen, dann erkennt man sehr ähnliche Muster", sagt sie. "Ein Streit unter Gleichgeschlechtlichen schaut so aus wie bei Verschiedengeschlechtlichen."

Im Prozess 2010 machte Peplau, die seit 32 Jahren verheiratet ist und gegen Proposition 8 gestimmt hat, über diese Ähnlichkeiten ihren Standpunkt klar: "Die Ehe scheint eine Vielzahl von Nutzen, psychologischen und anderen, zu bestärken, ... und nichts in der wissenschaftlichen Literatur lässt darauf schließen, dass schwule oder lesbische Paare vom Recht, zu heiraten, weniger oder anders profitieren als heterosexuelle." Ausführungen wie diese hat Richter Walker in seiner Urteilsbegründung gegen Proposition 8 im August 2010 genannt, und auch das Berufungsgericht jüngst im Februar, das die Entscheidung der Verfassungswidrigkeit bestätigte. Jetzt liegt es an den BefürworterInnen des Homosexuellenehe-Banns, ob sie sich erneut an selbiges Appellationsgericht mit einem erweiterten RichterInnengremium wenden oder direkt vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten ziehen.

"Alptraum einer Defensio"

Das aktuelle Urteil hat die ForscherInnen und ihre Arbeit erneut auf einen öffentlichen Prüfstand gestellt. Stunden über Stunden wurden sie diskutiert, "ein wahrer Alptraum einer Defensio, wo jemand so viel Zeit darauf verwendet, deine Arbeit auseinanderzunehmen", kommentiert Badgett. 

Gelandet in der (Pop)Kultur

Aber nicht nur vor Gericht oder in der akademischen Community hat die Forschung Kreise gezogen: In Los Angeles feiert Anfang März die Sonderaufführung von "8", einem Stück des Oscar-prämierten Autors Dustin Lance Black über den Prozess, Premiere. In dem kommen zwar nicht alle ForscherInnen, die vor Gericht aussagten, vor, dafür aber im zwölfteiligen Internet-Film Proposition Trial 8 Re-Enactment, in dem jeder einzelne Tag vor Gericht nachgezeichnet wird. Peplau wird darin von Schauspiel-Veteranin Adrienne Jo Barbeau, vor allem bekannt als Scream-Queen aus John Carpenters "Swamp Thing (Das Ding aus dem Sumpf)" und "The Fog (Nebel des Grauens)", porträtiert. Für manche ForscherInnen wäre das eine zweifelhafte Ehre, aber nicht für Peplau. Sie war von Barbeaus Darstellung "begeistert". (red/dieStandard.at, 1.3.2012)