Auf der Aflenzer Bürgeralm kommt kein Kunstschnee zum Einsatz. Das schätzen Naturfreunde.

Foto: Hochsteiermark

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"Die Lawine weiß nicht, dass du ein Experte bist", sagt Hannes Nothnagel. Der Direktor des Winter!Sport!Museum! in Mürzzuschlag weiß das, er ist selber bei der Bergrettung. Bereits seit 1947 wird in seinem Haus auf die Schönheit, aber auch die Gefahren des alpinen Skisports hingewiesen. Und auf seine Geschichte: "Wann und wo der Ski entstanden ist", erzählt der Historiker, "darüber geben uns Felsritzungen Auskunft, zum Beispiel aus dem Norden Norwegens." An die 4000 Jahre alt seien die ältesten Funde, die sich im Moor erhalten hätten. 2000 Jahre alt ist das älteste Stück aus Sibirien, das es in dem Museum zu sehen gibt.

Verkehrs- und Transportmittel seien die Skier gewesen, aus tennisschlägerähnlichen Schreitschuhen sind nach und nach "Gleitschuhe" geworden. Die unterschiedlichsten Formen sind in dem Haus in Mürzzuschlag zu bewundern: In den weiten Ebenen Skandinaviens waren die Brettln schon einmal 3,60 Meter lang.

"Das Wort Ski hat ja den gleichen Stamm wie Holzscheit", sagt Nothnagel. Aus welchem Holz die Brettln gemacht wurden, hänge aber ganz von der Geografie ab: "In Japan gab es zum Beispiel Bambusskier, in Skandinavien waren sie aus Birke." Auch vom nordischen Skigott Ull weiß er zu berichten. Dem wurde in der Numismatik sogar ein eigener Bereich eingeräumt.

Aber auch bis in die Anfänge des alpinen Skitourismus in Österreich reicht die ständige Sammlung. "Um 1880 hatte die gutbürgerliche Gesellschaft Zeit und Geld, in die Berge zu fahren, Mürzzuschlag lag auf halber Strecke zwischen Wien und Graz ideal." Schwarz-Weiß-Fotografien und diverse Schaustücke erinnern an die Skipioniere Max Kleinoscheg und Toni Schruf sowie an den 1. Internationalen Skiwettlauf am 2. Februar 1893 in Mürzzuschlag - er beinhaltete ein Skispringen über einen mit Schnee bedeckten Misthaufen.

"Wir wollen die Skigeschichte lebendig machen", erklärt Nothnagel, deswegen gibt es neben der Skisammlung - vom Holzski bis zum Rocker - auch ein Nostalgieteam, das die diversen Fahrtechniken vom Telemark bis zum Carven beherrscht. Das ist einerseits in Filmen zu bewundern, andererseits ist das Team auch auf der ganzen Welt unterwegs, zum Beispiel bei der Eröffnung der Skihalle in Dubai 2006. Diese neuesten Entwicklungen des Skisports beleuchtet das Museum aber auch kritisch. So viel Energie wie eine Stadt mit 30.000 Einwohnern verbrauche die Halle in Dubai, erfährt man.

Kein Kunstschnee

Mit Kunstschnee hat man knapp 50 Kilometer weiter, auf der Aflenzer Bürgeralm, nichts am Hut. "Hier hat man immer auf künstliche Beschneiung verzichtet", erzählt der Polizeibergführer Augustin Pronnegg. 26 Jahre war er bei der Flugrettung, und an diesem eiskalten Sonnentag erklärt er erst einmal den aktuellen Lawinenlagebericht, bevor die Felle an die Tourenski geschnallt werden. Die ganz Sportlichen gehen natürlich von der Talstation auf 860 Meter Seehöhe los, da braucht man schon dreieinhalb bis vier Stunden bis zum Schönleiten-Haus auf 1810. Wenn man am Vormittag in Mürzzuschlag war, nimmt man die Abkürzung mit dem Sessellift und geht erst oben auf der Jauring-Alm per pedes. "Fangriemen verwendet man beim Tourengehen heute eher nicht mehr", erklärt Pronnegg, "die wirken, wenn was passiert, im Tiefschnee eher wie ein Anker - der Lawinenairbag schwimmt auf, und der Anker zieht runter."

Damit es erst gar nicht so weit kommt, geht man nur mit einem erfahrenen Bergführer und unter Berücksichtigung der aktuellen Schneesituation. Heute zum Beispiel ist es mit minus zehn Grad so kalt, dass die Felle schlecht an den Skiern haften und immer wieder abgehen. Die Abfahrt durch den Jauringer Graben ist zu gefährlich, aufgrund der Verwehungen liegt der Schnee hier zum Teil bis zu vier Meter hoch. "Letztes Jahr hab ich einen Unfall gehabt", erzählt Pronnegg und meint dabei gar nicht sich selbst. Als Bergretter sagt er auch "ich", wenn er von dem Mann erzählt, der ohne Helm gegen den Felsen gefahren ist. "Mit Helm wär das Aug wahrscheinlich noch drinnen gewesen", sagt er.

Als erfahrener Bergführer weiß er auch, wann es genug ist für den Besuch aus der Stadt. Er sagt aber nicht: "Kannst leicht nimma, Mädel?" - er bleibt stehen und sagt: "Schau, wie schön, jetzt sieht man die Veitsch", bis sich der Puls der Ungeübten bei der Betrachtung des Gipfels wieder beruhigt hat. Dankbar wird auch die Anregung aufgenommen, jetzt doch im Schönleiten-Haus einzukehren. "Pommes und Germknödel gibt es hier nicht, nur lokale Produkte", betont Hermie Baumgartner. Dafür tischt sie eine zünftige Brettljause mit Hirschwürsteln vom Aigner in Aflenz auf - und Brot aus der Bäckerei Serb. Wenn dann die Sonne untergeht, schnallt die Wirtin ihre Brettln an und fährt mit ihren Gästen ab ins Tal. (Tanja Paar, DER STANDARD, Rondo, 2.3.2012)