Der Desktop als App statt Zentrum: Ein abstrakter Fisch als Reminiszenz an den Windows-Desktop  

Foto: Microsoft

Das neue Metro-Design von Windows 8

Foto: Microsoft
Foto: Microsoft

Am Mittwoch hat Microsoft die erste öffentliche Testversion seines kommenden Betriebssystems Windows 8 veröffentlicht. Die Consumer Preview lässt Anwender vorab in das neue Design und die Funktionen des Betriebssystems abtauchen. Die Fachpresse hat sich im Vorfeld bereits einige Tage ein Bild machen können und kommt unisono zu folgender Einschätzung: Microsoft bereitet damit den Weg für die Post-PC-Ära und seine eigene Zukunft vor.

Der Desktop tritt in den Hintergrund

Microsoft setzt Windows 8 zwar auf Windows 7 auf, der Nutzer bekommt davon zunächst allerdings nur wenig mit. Der Desktop mit Start-Button und Taskleiste ist nicht mehr das Zentrum des Betriebssystems, anstelle dessen wurde die universelle Metro-Oberfläche zum Dreh- und Angelpunkt gemacht. Das hat einen guten Grund: Das auf großflächigen Kacheln basierte Interface ermöglicht den plattformübergreifenden Einsatz auf PCs, Notebooks und Tablets. "Metro ist ein komplett neues Desktop-Paradigma, dass Ihre meistgenutzten Werkzeuge ins Zentrum stellt", schließt Wired. Wie bei einem Smartphone werden die wichtigsten Anwendungen vom Browser bis zum Email-Client prominent platziert. Einstellungen treten in den Hintergrund. "Das Interface ist bemerkenswert effektiv, egal ob Sie es auf einem Touchscreen-Gerät oder einem Desktop-PC einsetzen."

Der Desktop als App

Um die Kompatibilität zu aktuellen Windows-Programmen aufrecht zu halten und eingefleischten Usern nicht die gewohnte Arbeitsumgebung zu nehmen, lässt sich die traditionelle Desktop-Ansicht weiterhin aufrufen. Mit einem Druck oder Klick auf die gleichnamige App erscheint der von Windows 7-bekannte Desktop - die nach wie vor präferierte Ansicht für die Maus/Tastatur-Eingabe. Der Unterschied liegt im Detail. Zum einen wurde der Start-Button und dessen dazugehörigen Funktionen in eine übergreifende Funktionsleiste (Charms Bar) verschoben. Zum anderen wurde das System stärker denn je auf Gesten und Tastenkürzel ausgelegt. Zum Guten, wie The Verge urteilt. "Microsoft hat ganz klar auf die Kritik an Metros Vollbild-Ansatz für PC-User reagiert und die verschiedenen Gesten machen es auch ohne Toucheingabe einfacher, durch das Betriebssystem zu navigieren", so das IT-Portal.

Wischen, Schieben, Wiederholen

Für Anwender bedeutet das zunächst, etwas dazulernen zu müssen. Windows 7 kennt 36 Kürzel für unterschiedlichste Befehle. Diese bleiben unter Windows 8 erhalten, hinzukommen allerdings 23 weitere Shortcuts, um zwischen Apps zu wechseln, die Systemeinstellungen einzublenden oder die Charms Bar herbeizuholen. Zur Navigation spielen zudem die vier Ecken des Screens eine wesentliche Rolle. Fährt man in die rechte obere Ecke, wird der Desktop aufgerufen. Die gegenüberliegende Ecke bringt die Apps auf Tableau. Um Anwendungen schneller aufrufen zu können, kann man zudem die Windows-Taste anschlagen und direkt den Namen des gesuchten Programms eintippen.

Mischwelt

Eine Herausforderung für weniger Affine Anwender wird sein, die Unterschiede der zwei Welten (Metro und Desktop) zu verstehen, meint Wired. "Einige Kombinationen sind Metro- oder Desktop-spezifisch, andere wiederum funktionieren systemweit", so Wired. Es sind jene Kompromisse, die sich durch Microsofts radikalen Wunsch ergeben, eine Betriebssystem für alle Plattformen bereitzustellen. Die "Wenns und Abers" gehen dabei bis auf die Chip-Ebene zurück. Erstmals wird Windows neben x86-Prozessoren auch stromsparende ARM-Chips, wie sie derzeit vorrangig in Tablets und Smartphones zum Einsatz kommen, unterstützen. Konsumenten müssen wissen, dass dadurch schon beim Hardware-Kauf über die Funktionalität von Windows 8 entscheiden. Metro zusätzlich aller Desktop-Funktionen wird es nur unter x86-Systemen geben, Geräte mit ARM-Prozessoren bieten Metro und "eingeschränkte Desktop-Funktionen", berichtet Cnet.

Ein Erlebnis durch die Bank

Es sind die Ungereimtheiten eines Generationswechsels die Microsoft in Kauf zu nehmen scheint, um langfristig ein System in einer zunehmend divergierenden Gadget-Welt etablieren zu können. Ganz klar steht das einfach verständliche Metro-Interface im Mittelpunkt dieser Strategie. Windows Phone brachte dieses Nutzererlebnis auf Smartphones, mit Kinect hielt das Design auf der Xbox 360 Einzug und mit Windows 8 werden PCs, Laptops und Tablets in das Designschema eingefügt.

Das Ziel ist offensichtlich: Microsoft will Kunden damit noch enger an sein Ökosystem binden. PCs und Tablets preisen dann Apps statt Programmen an und unterscheiden sich nur noch im Funktionsumfang von Smartphones. Die Xbox 360 (und deren Nachfolger) wird über den Online-Dienst Xbox Live in Windows integriert und so schließt sich dem Konzernwunsch nach der Kreis. Mobil, am Schreibtisch und im Wohnzimmer erlebt der User ein und dieselbe Computer-Welt. Der alte Desktop kann in diesem Szenario nur noch eine Nebenrolle spielen. Microsoft scheint damit der Zeit und der Konkurrenz nach Jahren der Aufholjagd einen Schritt voraus zu sein. Aber ist dies auch ein Kundenwunsch? (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 1.3.2012)