Wien - Kardiologen wüssten nur allzu gerne, wo die Vorläuferzellen der Herzmuskelzellen sich aufhalten, wie man sie am besten gewinnen, züchten und als "Reparaturmaterial" bei Herzkranken einsetzen könnte. Doch soweit sind sie noch nicht. Bei diesen Vorläuferzellen hat darüber hinaus bisher auch eine eher "Babylonische Sprachverwirrung" geherrscht. Jasmin Taubenschmid und Georg Weitzer von den Max Perutz Laboratories der MedUni Wien haben jetzt einen Stammbaum dieser Zellen konstruiert.

"Die kardiovaskulären Vorläuferzellen sind im Herzen vorhanden. Aber niemand weiß, wo. Beim Gehirn weiß man, dass sie in gewissen Nischen existieren, ebenso im Darm im Bereich der Darmzoten", sagte Weitzer. Dafür ist geklärt, woher diese Zellen, die potenziell zur Regeneration von Herzmuskelgewebe geeignet wären, herkommen. Der Experte: "Sie entstehen in der Embryonalentwicklung aus dem mittleren Keimblatt, dem primitiven Mesoderm."

"Landkarte"

Bisher gab es noch keine "Landkarte" mit den Stationen, über welche der Weg von den frühesten Vorläufern bis zur ausgereiften Herzmuskelzelle führt. Taubenschmid und Weitzer haben in ihrer Arbeit, die in "International Review of Cell and Molecular Biology" erschienen ist, die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Vorläuferzellen und ihren Stadien aufgelistet; zudem haben sie die Zellen im Netzwerk der verschiedenen Faktoren, welche ihre Entwicklung bedingen, dargestellt.

In der Evolution des Lebens entstand das Herz als pumpendes Organ mit den Fischen vor rund 500 Millionen Jahren. In der Embryonalentwicklung erfolgt die Entwicklung von den frühesten Vorläuferzellen über verschiedene Transkriptionsfaktoren wie MESP1 oder schließlich NKX2.5. Diese Faktoren beeinflussen die Aktivierung von Genen, welche zur Ausformung des Organs führen.

Auch im Herzen von Erwachsenen finden sich noch Stammzellen. Man kann sie beispielsweise über die Oberflächenmerkmale CD34 oder cKIT identifizieren. Diese Marker sind aber nicht spezifisch.

"Expressionsraum"

Welche Gene in den Stammzellen aktiviert oder unterdrückt werden, ist offenbar nicht vorhersehbar. Zudem verändert dies oft auch nicht das Erscheinungsbild der Zellen. Die Wissenschafter postulieren aufgrund ihrer Arbeiten, dass die groben Eigenschaften solange konstant bleiben, solange die Aktivierung oder Inaktivierung von Genen innerhalb einer für den einzelnen Zelltyp festgelegten Bandbreite ("definierter Expressionsraum") bleibt.

Weitzer: "Erst wenn die Aktivierung einer genügend großen Anzahl von Genen diesen 'Expressionsraum' verlässt, ändern sich das Schicksal und das Erscheinungsbild der Zellen. Je ausgereifter eine Zelle ist, desto enger ist dieser 'Expressionsraum'."

Für Stammzellen - auch für die Vorläuferzellen des Herzmuskelgewebes - stehen ziemlich viele Möglichkeiten der Genaktivierung zur Verfügung. Der Wissenschafter: "Das menschliche Genom weist rund 23.000 Gene auf. Wenn man annimmt, dass etwa die Hälfte davon 'Haushälter-Gene' sind, die in allen Zellen vorkommen, gibt es immer noch mehr als zehn hoch 40.000 Möglichkeiten der Kombination von Genen." Das sei viel zu viel, um exakte Vorhersagemodelle zu etablieren. Stattdessen komme die Molekularbiologie hier in Bereiche, die denen der Quantenphysik gleichen, in der nur noch unscharfe Aussagen getroffen werden könnten. (APA)