Bei der gestützten Simulation geht es inzwischen darum, das wahre (Auto-)Leben darzustellen. Eines der Entwicklungsinstitute, die sich damit befassen, sitzt in Graz und nennt sich auf gut Steirisch Virtual Vehicle.

Foto: Virtual Vehicle

Die Möglichkeiten erstrecken sich nicht nur auf die Erschaffung virtueller Autos, ...

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... sondern bis hin zu so genannten "Mensch-Modellen", ...

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... Schienenfahrzeugen etc.

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Noch Mitte der 1970er-Jahre war es ziemlich aufwändig, einen Motor oder eine Radaufhängung neu zu konstruieren. Schließlich löste gerade erst der Taschenrechner den Rechenschieber ab. Zu allseits verfügbaren hocheffizienten Computersystemen war es noch ein weiter Weg. So hielten sich Vorkriegsmotorenkonzepte noch bis in die 1980er-Jahre hinein. Erst als der Katalysator die Anforderungen an Motorenkonzepte und Elektronik in die Höhe schnellen ließ und gleichzeitig immer mehr leistungsfähige Computer zur Verfügung standen, verschwand das Alte endgültig.

Mittlerweile gilt die umfassende Beherrschung von Computersystemen als Schlüsselfunktion in der Automobilentwicklung. Dabei geht es nicht nur darum, auszurechnen, ob ein Bauteil eine Maximalbelastung oder Mindestanforderung aushält, sondern auch darum, das wahre Leben darzustellen und zu klären, ob sich die Komponenten darin auch umfassend bewähren. Damit ist eine neue Stufe in der Automobilentwicklung gezündet worden. Erst durch sogenannte gekoppelte Simulation ist es den Autoherstellern möglich, eine Vielfalt an Fahrzeugen in nie da gewesener Qualität zu präsentieren, wie sie heute auf uns zurollt.

So haben sich weltweit Forschungsgesellschaften und Entwicklungsinstitute gebildet, die in einem Mix aus staatlichen Förderungsgeldern und direkter Beteiligung von Autoherstellern und Zulieferunternehmen Hightech-Aufgabenstellungen lösen. Eines dieser Unternehmen sitzt in Graz und nennt sich Virtual Vehicle. Dort werden sowohl Komponenten und Teilsysteme berechnet wie auch deren Zusammenwirken in einem ganzen Fahrzeug.

Jost Bernasch, Geschäftsführer: "Es gibt nur Fördermittel, wenn die Industrie die Hälfte der Kosten übernimmt. Dadurch ist garantiert, dass sich das Forschungszentrum mit den Firmen abstimmen muss. Auch der wissenschaftliche Content stellt sicher, dass es sich also um keine Standardentwicklung handelt." Hermann Steffan, Leiter des Instituts für Fahrzeugsicherheit an der TU Graz und wissenschaftlicher Leiter von Virtual Vehicle, ergänzt: "Sie können ganz sicher sein, wenn Audi und BMW oder auch andere in einem Forschungsprojekt zusammenarbeiten, muss das forschungsnah sein, sonst werden die nicht kooperieren."

Mehr Entwicklungseffizienz

Virtual Vehicle arbeitet inzwischen mit 80 Unternehmen weltweit zusammen, u. a. mit Audi, AVL, BMW, Daimler, Doppelmayr, Liebherr, Magna Steyr, MAN, Porsche, Renault, Siemens, Volkswagen. Das Kernthema dabei ist die Erhöhung der Entwicklungseffizienz. Bernasch: "Die Aufgabe lautet heute weniger, die Entwicklungszeit von 20 Monaten noch weiter zu reduzieren, sondern binnen dreier Jahre 20 neue Modelle zu schaffen, oder anders, mit fünf Prozent größerer Entwicklungsmannschaft 50 Prozent mehr Fahrzeuge auf den Markt zu bringen."

Nicht nur in zeitlicher Hinsicht spielt die virtuelle Fahrzeugentwicklung eine Schlüsselrolle, sie kann auch grundsätzlich sehr teuer sein. So ergibt etwa die Einsparung von Crashtests durch Simulation enorme Kostenvorteile. Steffan: "Ein frühzeitiger Prototyp kostet zwischen 500.000 und einer Million Euro."

Mittlerweile sind durch Simulation Erkenntnisse möglich, die im physikalischen Versuch nicht darstellbar sind. So kann man einem sogenannten Mensch-Modell realistische Reaktionen einprogrammieren, während sich ein konventioneller Dummy nie beim Crash wie ein Mensch gegen das Lenkrad stemmen wird. Es geht also um Detailarbeit, ein wichtiges Feld für die Zukunft ist aber auch die Betrachtung des Gesamtfahrzeugs. Bernasch: "Einzelsimulationen können mit den verschiedenen Softwaretools durchgeführt werden, wenn ich jetzt aber drei, vier oder zehn Simulationen zusammen bringen will, müssen unterschiedlichste Parameter synchronisiert werden."

Gekoppelte Simulation kommt jedoch nicht nur bei Sicherheitsfragen zum Einsatz, sondern ebenso in der Entwicklung funktionalen Leichtbaus für leichtere Fahrzeuge, bei verschiedensten neuen Antrieben oder auch im Schienenfahrzeugbereich. (Rudolf Skarics/DER STANDARD/Automobil/2.3.2012)